EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Das wunderbare Tintenfass

Kennen Sie das Buch vom Struwwelpeter? Die Älteren bestimmt. Es ist ja ein echter Klassiker. Neulich fiel es mir beim Aufräumen wieder einmal in die Hände.

Uwe Rahn ist Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Schwelm

  

Es hat Spaß gemacht, die alten Geschichten noch einmal zu lesen: Vom bösen Friederich und Paulinchen mit dem Feuerzeug, vom Daumenlutscher und vom Suppenkaspar. Zugegeben: Mit der dort vertretenen Pädagogik ist es nicht weit her: Wer am Daumen nuckelt, kriegt ihn abgeschnitten, und wer lange Haare hat, wird ausgelacht. Na ja, das Buch ist eben schon uralt...

Trotzdem, eine Geschichte ließe sich auch heute noch gut erzählen. Die von „den schwarzen Buben“ Ludwig, Kaspar und Wilhelm. „Die schrien und lachten alle drei, als dort das Mohrchen ging vorbei, weil es so schwarz wie Tinte sei. Da kam der große Nikolas mit seinem großen Tintenfass. Der sprach: Ihr Kinder, hört mir zu und lasst den Mohren hübsch in Ruh! Was kann denn dieser Mohr dafür, dass er so weiß nicht ist wie Ihr?“ Und weil die Kinder nicht gehorchen, werden sie allesamt in das Tintenfass getaucht. Am Ende sind sie schwärzer als der Mohr.

Prima, so ein Tintenfass, denke ich. So etwas müsste es auch in Wirklichkeit geben: Zum Beispiel für all die Ewiggestrigen, die Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe beschimpfen. Oder die mit nationalen Parolen Stimmung machen gegen Flüchtlinge. Schwupps, rein ins Fass, und dann würden sie mal erleben, wie das ist, wenn man sich heimatlos und arm in einem fremden Land zurechtfinden muss.

„Wer einen anderen Menschen verstehen will, muss hundert Schritte in seinen Mokassins gehen“, sagt ein indianisches Sprichwort. Sich auf den anderen einlassen, mal eine andere Perspektive einnehmen, zuhören, all das ist wichtig, damit Menschen sich näher kommen.

In diesem Zusammenhang fand ich die Aktion „Deutschland spricht“ gut. Initiiert hat sie die Zeitung „Die Zeit“, viele andere haben sich beteiligt. Der Bundespräsident Frank Walter Steinmeier hat die Schirmherrschaft übernommen. Es ging darum, dass Menschen mit sehr unterschiedlichen Meinungen und Haltungen miteinander ins Gespräch kommen. Nicht im Internet, nicht auf sozialen Plattformen, sondern ganz analog, Auge in Auge im Rahmen einer wirklichen Begegnung. 8000 Menschen haben sich beteiligt. Und viele Paare haben gesagt, dass sie sich nähergekommen sind.

Miteinander reden hilft, zuhören, nachdenken, den eigenen Standpunkt überdenken...

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viele gute Gespräche!

Es grüßt Sie herzlich

Ihr Pfarrer Uwe Rahn