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Kirche und Sport

Olympische Impressionen aus Turin von Pfr. Thomas Weber

    

Begegnung im Zug

Es sind nicht gerade die Olympischen Spiele der kurzen Wege. Ich mache mich auf den Weg zum Biathlon-Wettkampf, der um 13:00 Uhr beginnt.
Eine Stunde mit dem Zug nach Oulx, von dort mit dem Shuttle-Bus noch 45 Minuten hoch in die Berge. Die Sonne scheint, eine Dunstglocke wölbt sich über Turin.
Im Zug treffe ich Fans, die sich - wie ich - auf die Strecke gemacht haben. Mir gegenüber sitzt ein etwa 60 Jahre alter Engländer. Wir kommen schnell ins Gespräch. Aus Birmingham stamme er und sei ein großer Sportfan, alleinstehend. Er gebe sein Geld für Reisen zu den großen Sportveranstaltungen aus, das sei sein Urlaub, erklärt er mir. Er erzählt von Nagano, Lake Placid und Athen. In diesem Jahr beabsichtigt er, zu den Weltreiterspielen nach Aachen zu kommen.
Wie ihm Turin gefalle, frage ich ihn. "Gut", antwortet er. In Anbetracht der vielen Baustellen, die nicht rechtzeitig vor Olympia fertig geworden sind, hofft er, dass das in London 2012 nicht passiere, wenn dann die Olympischen Sommerspiele auf der Insel stattfinden.
Anschließend greift er in die Tasche und zieht ein Bündel Eintrittskarten hervor, die er sich gegönnt hat:
Ein Ticket für das Eishockey-Finale der Männer zum stolzen Preis von 200,-- Euro, einmal Eiskunstlaufen möchte er sich anschauen - auch nicht gerade billig: 120,-- Euro. Ganz stolz ist er aber auf die Biathlon-Tickets, an 5 Tagen will er dabei sein. Die Sportart begeistere ihn, Spannung bis zum Schluss.
Er fragt nach meiner Tätigkeit bei Olympia. Er hat das deutsche Emblem auf meiner Jacke gesehen. "Ich begleite die deutsche Mannschaft als evangelischer Seelsorger", erkläre ich ihm und beschreibe meine Aufgaben.
Wir reden über Gott und die Welt. Er erzählt mir von der Situation der Kirche in seinem Heimatland.
Der Zug läuft in den Bahnhof ein. Wir verabschieden uns. "Darum liebe ich die Olympischen Spiele", sagt er, "man trifft ein buntes Gemisch von Menschen". Er lacht.
Wir beide gehören dazu, der Sportfan aus England und der Olympiapfarrer aus Deutschland.

  
Biathlon

Eine Fahrt (immerhin eine Strecke mit Bus und Bahn von knapp 2 Stunden) nach San Sicario zu den Biathlonwettbewerbn lohnt sich immer, denn es wird hervorragender Sport geboten. Dass wissen die Fans, die in großer Zahl aus Deutschland hergekommen sind, um die Athleten anzufeuern. Und die Sporter/-innen danken es ihnen mit beeindruckenden Leistungen.
Über 20 Km war Michael Greis aus Nesselwang der vielumjubelte Sieger. Darauf folgte die Bronzemedaille von Martina Glagow über 15 Km. Und anschließend der Sieg von Sven Fischer im Sprint über 7,5 Km.
Die Sportler stehen im Rampenlicht, doch im Hintergrund arbeiten viele andere Hand in Hand. Nach dem Erfolg fällt dann die Anspannung. Wir Sportpfarrer können in die Wachskabinen, dort wo die Ski vorbereitet werden, miterleben, wie groß die Freude untereinander ist. Wir stoßen mit den Skitechnikern, dem Trainerstab, dem medizinischen Personal auf den Sieg an.
Die Vorbereitung der Ski ist eine Wissenschaft für sich. Das kann man nicht lernen. "Die Erfahrung kommt mit der Zeit", erklärt uns einer der 4 Techniker. Der Bundestrainer, dem die Tränen vor Freude in den Augen stehen, drückt seinen Sportler ganz herzlich. Nur zusammen können wir gewinnen. Einer muss für den anderen da sein. Das ist die Erfolgsdevise. Ein Modell für´s Leben! 

  

Am Rande der Abfahrtsstrecke

Als begeisterter Skiläufer darf ich mir diesen Wettbewerb nicht entgehe lassen: die Abfahrt der Damen in San Sicario. Erwartungsvoll stehe ich im Zielraum neben den Betreuern und Skitechnikern. Die Piste ist eisig und bestens präpariert.
Der französische Olympiasieger der Herrenabfahrt Antoine Deneriaz schreibt wenige Meter entfernt gelöst und entspannt Autogramme, gibt Interviews und lässt sich mit jedem fotografieren. Es muss ein wunderbares Gefühl sein, so erfolgreich gewesen zu sein, denke ich.
Das Rennen beginnt. Die einzige deutsche Starterin in dieser Disziplin Petra Haltmayr legt eine sehr gute Abfahrt hin. Auf der großen Leinwand neben der Zieleinfahrt sind kaum Fehler während der schnellen Fahrt zu erkennen. Die Zuschauer und auch die Trainer sind begeistert. Am Ende belegt sie einen hervorragenden 6. Platz, lag sogar zwischenzeitlich auf einem Medaillenplatz.
Mir juckt es in den Beinen. So gerne ich einmal selber mit Ski die Piste hinabfahren würde, so sehr bewundere ich die Superleistung der jungen Läuferinnen. Mit mehr als 100 Stundenkilometer rasen sie ins Tal, angesichts der vereisten Rippen, die sich durch den Hang ziehen, schlagen die Ski gegeneinander. Manches Mal halten die Zuschauer die Luft an. Gott sei Dank gehen an diesem Renntag die wenigen Stürze glimpflich aus. Beim Abschlusstraining sah das leider anders aus, 2 Läuferinnen mussten verletzt abtransportiert werden.
Am Ende hat die Österreicherin Michaela Dorfmeister die Nase vorn. Vor den laufenden Kameras kommt sie kaum zum Luftholen. Von einer Fernsehanstalt zur nächsten wird sie weitergereicht.
Enttäuscht schleichen die Verliererinnen an mir vorbei. Ihre Körperhaltung verrät: 4 Jahre harte Arbeit sind nicht belohnt worden. Was mag in ihren Köpfen vorgehen?
Ich gratuliere Petra Haltmayr zur ihrer großartigen Leistung. Hinter der Tribüne lerne ich ihren Vater kennen, der aus Bayern für diesen Wettkampf angereist ist. Ich gratuliere auch ihm, er kann stolz auf die Leistung seiner Tochter sein. Eigentlich habe er gar nicht kommen wollen, erzählt er mir. Die wenigen Male, die er in diesem Winter dabei gewesen sei, habe es bei seiner Tochter nicht sehr gut geklappt. Umso größer ist heute seine Freude.
Ob er denn Angst um Petra habe, wenn er sich ein Rennen anschaue, möchte ich von ihm wissen.
"Freilich, ich bin jedes Mal heilfroh, wenn sie gesund im Ziel angekommen ist", antwortet er mir. "Aber meine Frau kann nicht zuschauen, das hält sie nicht aus".
Das kann ich gut nachvollziehen. Was würde ich wohl dazu sagen, wenn meine Tochter mit dem alpinen Rennsport anfangen würde? Aber dazu wird es wahrscheinlich nie kommen, ein Glück. 

  

Eindrücke

Oft werde ich gefragt: "Kommen die Sportler nach der Niederlage und bitten um seelischen Beistand?".
Es sind ja nicht nur die Sportler, denen ich begegne. Da sind Trainer und Betreuer, die auch unter Erfolgsdruck stehen. Da gibt es ganz viele, die im Hintergrund arbeiten, damit es in der 350-köpfigen Deutschen Delegation reibungslos abläuft.
Da sind die ehemaligen Größen des deutschen Wintersports, die ich am Rande der Wettkampfstätten treffe. Z.B. Rosi Mittermeier, 3-fache Medaillengewinnerin von Innsbruck 1976, die in ihrer sympathischen Art als Schirmherrin die fünfzig Jugendlichen, die im Olympischen Jugendlager zusammenkommen, betreut. Da ist der ehemalige Aktive, der bei drei Olympiaden sehr erfolgreich dabei war und der mir erzählt: "Als ich zum ersten Mal nach dem Ende meiner Karriere - und ich stand sehr im Rampenlicht - Olympia miterlebte, hätte ich am liebsten geheult, als ich die jungen Sportler sah. Ich wusste, meine Zeit ist zu Ende sie aber haben die Zukunft noch vor sich".
Da ist schließlich der Deutsche Bundespräsident Hort Köhler, dem wir Sportpfarrer vorgestellt werden. Wir überreichen ihm die Olympiabroschüre "Mittendrin". Er freut sich über das kleine Geschenk und bedankt sich mit den Worten: "Es ist gut, dass es Sie als Sportpfarrer gibt und die Kirchen bei Olympia dabei sind. Das halte ich für ganz wichtig.". (Pfr. Thomas Weber)