EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Ein Fest für Traurige

Im Angesicht der gegenwärtigen Krise und dem, was heute, am Ostersonntag 2020, gefeiert werden soll, kam mir ein bestimmter Gedanke in den Sinn: Ostern ist eigentlich ein Fest für Traurige! Und gleichzeitig habe ich gedacht: Blödsinn! Wie kann man nur auf so einen Ge-danken kommen? Ostern ist doch das genaue Gegenteil! Ostern ist doch für die Fröhlichen da! Christus ist doch von den Toten auferstanden! Es gibt begründete Hoffnung! Nicht von Traurigkeit, sondern von Fröhlichkeit ist zu reden!

Pfarrer Andreas Schulte ist Superintendent des Ev. Kirchenkreises Schwelm

Sieht man sich allerdings die österlichen Berichte in der Bibel etwas genauer an, ist nicht zu überlesen, dass alle diejenigen, die zu den ersten Zeuginnen und Zeugen der Auferstehung Jesu werden, aus einem tiefen Tal der Tränen kommen.

   

Man denke nur mal an die drei Frauen, die früh am Morgen zum Grab Jesu gehen. Ich habe mich immer schon gefragt, mit welcher Perspektive sie das eigentlich tun. Sie wollen den Leichnam Jesu nach jüdischer Sitte salben, aber sie haben überhaupt keinen Plan, wie sie den schweren Stein vor dem Grab wegbekommen. Es ist eigentlich unsinnig, sich auf diesen Weg zu machen. Aber die Frauen tun es trotzdem; wahrscheinlich mit vielen Tränen in ihren Augen.  

   

Die engsten Gefährten von Jesus bekommen nicht einmal das zustande, sondern haben sich verkrochen, so wie der Jünger Thomas, der später den Beinamen „ungläubiger Thomas“ bekommen wird. Denn Thomas kann nur an das glauben, was er mit seinen eigenen Augen sieht und was sich beweisen lässt.

   

Auch die beiden Jünger, von denen erzählt wird, dass sie in ein Dorf mit Namen Emmaus unterwegs sind, erkennen den auferstandenen Christus zunächst nicht, der sich zu ihnen gesellt und mit ihnen geht. Sie aber sind ganz und gar von ihrer Trauer und auch ihrer Enttäuschung gefangen. Das vernebelt ihnen den Blick uns lässt sie zunächst in ihrer Verzweiflung stecken.

    

Vielleicht kann man die gewaltige Kraft und die Welle der Bewegung, die durch das Osterereignis in Gang gesetzt wird, überhaupt nur dadurch erklären, dass gerade solche Menschen vom Auferstandenen ergriffen werden, die mit allem möglichen gerechnet haben, aber ganz bestimmt nicht damit, dass Gott dem am Kreuz Verfluchten vom Tode auferweckt.

   

Ostern ist eigentlich ein Fest für Traurige.

   

Denn Ostern erzählt davon, dass Gott, der diese Welt geschaffen hat und erhält, immer noch die Macht hat, alles zu verändern. Christus überwindet den Tod. Darum darf es aus den Traurigen dieser Welt am Ostertag herausbrechen! Darum dürfen auch wir heute Morgen den Lobgesang anstimmen: gegen das Leid, gegen die Schmerzen, gegen den Tod aber für die Hoffnung, für das Miteinander und manchmal auch für die Geduld, die jetzt so bitter nötig ist!

   

Im Augenblick mag es uns dabei besonders bewusst sein, wie voll wir den Mund nehmen, wenn wir von der Hoffnung in Christus reden und davon singen. Wenn heute die Kirchenglocken überall im Land zu hören sind. Denn Ostern ist das Fest für Traurige, damit sie nicht in ihrer Trauer stecken bleiben.

  

Und nach einem alten Wort ist Glaube der Vogel, der singt, wenn die Nacht noch dunkel ist.

   

Andreas Schulte