Solange Blindheit eine Augenkrankheit ist, darf man hoffen, dass ein Arzt helfen kann. Wenn aber die Blindheit die Seele und das Herz betriff, ist Heilung viel schwieriger. Wenn Menschen blind sind für das wirklich Wichtige im Leben, wenn sie keinen Blick mehr haben für das, was das Leben trägt oder zerstört, dann stehen wir ziemlich hilflos da.
Aber wenn dann ganz unerwartet Heilung geschieht – wie und durch wen auch immer – dann kann es sein, dass solche Menschen einen anderen Blick auf die Welt haben und dann deutlich erkennen und auch sagen, was die Welt und das Zusammenleben bedroht und zerstört oder retten kann.
Eigentlich sollte man dann sagen: „Gott sei Dank, es gibt sie noch, diese Geheilten.“ Aber das ist nicht schon im Evangelium nicht der Fall. Die Jünger, die Eltern des Blinden, die Nachbarn, jüdische Mitbürger und die Pharisäer ohnehin, sind mindestens verunsichert. Die meisten bleiben misstrauisch und ablehnend: Mit dem Geheilten und dem Heiler stimmt etwas nicht.
Der Geheilte sieht die Welt und das Leben mit einem geheilten Blick. Er sieht neu, anders. Und wer neu sieht, geht auch neue, andere Wege und fordert sie auch ein; denn es geht um Heilung für die ganze Schöpfung.
Das bringt Ärger in der Politik, in der Wirtschaft, der Gesellschaft und der Kirchen; denn darin wird die Erwartung spürbar, etwas neu zu bedenken und mit anderen, geheilten Augen zu sehen. Es könnte dann sein, das sich die als wirklich Blinde erweisen, die immer schon glaubten, alles richtig zu sehen und gewusst haben. Diese Blindheit ist schwer oder gar nicht zu heilen; denn sie fordert heraus, neue Wege zu gehen und Unsicherheiten zuzulassen.
Reden wir da etwa über andere? Sind uns selbst solche Erfahrungen wirklich fremd?!
Vielleicht gehen wir einmal zum Augenarzt Gottes, zu Jesus, aber nur wenn wir wirklich geheilt werden wollen, um mit seinen Augen sehen, sonst ist er machtlos und wir bleiben ohnmächtig.
Ich wünsche uns offene Augen, einen neuen Blick und einen wohltuenden Sonntag.
Pastor Ulrich Bauer