Es gibt biblische Sätze, in die man sich am liebsten fallen lassen möchte. Dieses Wort aus dem Buch des Propheten Jesaja gehört für mich in jedem Fall dazu. In den Gottesdiensten der Heiligen Nacht wird es gerne gelesen. Doch es passt für so viele Nächte des Jahres 2021.
Weihnachten wird in unseren Breitengeraden in der dunkelsten Zeit des Jahres gefeiert. Zugleich gehen wir auf die Wintersonnenwende zu. Jetzt ist das noch nicht zu spüren, aber in ein paar Wochen werden wir es merken. Die Tage werden dann wieder länger, das Licht kommt, auch wenn wir es jetzt noch nicht sehen können. So ist das manchmal im Leben: Es deutet sich etwas an, man ahnt etwas, ohne es wirklich schon begreifen zu können.
Nun ist das mit dem Wechsel der Jahreszeiten und der Veränderung des Lichtes viel besser erklärbar und nachweisbar als die Behauptung, dass durch Weihnachten, durch die Geburt eines Kindes vor 2.000 Jahren, ein himmlisches Licht in diese Welt gekommen soll. Das ist so. Wir leben mittlerweile im 21. Jahrhundert, wir können die Natur viel besser begreifen als die Menschen vor uns, auch wenn uns diese Natur gerade in diesem Jahr in vielfacher Hinsicht gezeigt hat, wie zerbrechlich wir sind. Was aber an Weihnachten geschehen sein soll, entzieht sich unserer Erfahrung. Weihnachten können wir nicht beweisen, da gibt es nichts zu messen oder zu erklären. Wie soll man auch ein Wunder erklären können? Und doch ist genau besehen auch unser Alltag nicht ohne Wunder. Es kommt auf die Perspektive an, die man dazu einnimmt.
Denn es ist nicht selbstverständlich, dass jeden Morgen die Sonne wieder aufgeht, und schon gar nicht ist es selbstverständlich, dass wir das alle erleben. Wir gehen möglicherweise davon aus, dass unser Leben auch im neuen Jahr in einigermaßen verlässlichen Bahnen abläuft, aber sicher ist das nicht. Eigentlich leben wir sogar jeden Tag und jede Nacht aus der Hoffnung heraus, dass es schon irgendwie weitergehen wird. Im Trubel des Alltags kommen wir nur selten dazu, uns Fragen zu stellen, die sich ganz grundsätzlich auf den Sinn und das Werden unseres Lebens beziehen.
Doch an Weihnachten brechen alle diese Fragen auf. Denn an Weihnachten verdichtet sich diese Hoffnung zu einer Sehnsucht. Einer Sehnsucht nach Frieden in mir selbst und mit meinem Lebensweg, nach Frieden mit meinen Mitmenschen, nach Frieden in der Welt. Es ist die Sehnsucht nach einem erfüllten Leben. Bei vielen ist es dann auch eine Sehnsucht nach Gott, zum Beispiel bei mir. Es ist die Sehnsucht danach, dass in dem Kind in der Krippe tatsächlich etwas von dem himmlischen Licht zu finden ist, das uns allen und dieser Welt an Weihnachten verheißen wird. Weihnachten verdichtet sich die Frage danach, warum wir eigentlich leben und wie wir im Angesicht Gottes leben möchten.
Ich wünsche allen eine gesegnete Weihnachtszeit.
Bleiben Sie behütet!
Andreas Schulte