Aber damals glaubten fast alle noch fest an das ewige Leben. So gesehen war deren Lebens-Erwartung also eine Ewigkeit lang. Heute hofft nur noch eine Minderheit der Deutschen auf die Auferstehung. Somit hat sich die Lebens-Erwartung auf durchschnittlich „nur“ 81,2 Jahre reduziert.
Der verlorene Jenseits-Glaube hat größere Folgen, als wir zunächst meinen. Konsequenzen zeigen sich nicht erst nach dem Tod, sondern schon hier und jetzt. Wieviel Stress im Beruf und vor allem in der Freizeit ist dadurch bedingt, dass wir immer schneller leben? Wir wollen das Leben auskosten, bevor es zu spät. Unsere Sprache verrät uns. Wir fahren ins Urlaubs- und konsumieren im Einkaufs-Paradies. Alles, wofür wir im Paradies eine Ewigkeit Zeit gehabt hätten, quetschen wir in unsere kurze Lebenszeit. Anstelle des Lebens nach dem Tode ersehnen wir das Leben in Freiheit als Rentnerin. Wohl der, die das gesund erleben darf. Das ist das eine.
Das andere ist: Die Medizin hat gewaltige Fortschritte gemacht, damit wir zumindest länger leben. Dass sie die Kindersterblichkeit bekämpfte, war ein Segen. Danach hat sie versucht, das Lebensende weiter hinauszuzögern. Wir mussten erkennen, dass dies nicht nur ein Segen war. Alterserkrankungen und Demenz nahmen zu. So wurde die Sehnsucht nach einem längeren Leben abgelöst von der Sehnsucht nach einem kurzen und schmerzlosen Tod. An die Stelle der Erlösung vom Tode zu Ostern ist der Wunsch nach Erlösung durch den Tod getreten. Anders ist es, wenn Sterbende bei allem Abschiedsschmerz noch auf den Himmel oder ein Wiedersehen mit ihren Lieben freuen können.
Können wir es uns leisten, die österliche Auferstehungs-Hoffnung einfach aufzugeben? Meine Krankenbesuche in der Coronazeit habe ich geschafft, weil ich an ein Leben nach dem Tod glaube. Meine Angst, selbst zu erkranken und daran zu sterben, war geringer als die, jemanden anzustecken. Mein Glaube an ein Leben nach dem Tod hat mich aushalten lassen, was ich mit ansehen musste.
Auch politisch habe ich Fragen. Tyrannen können es eigentlich nur wagen, willkürlich Gewalt auszuüben, wenn sie nicht befürchten, am Ende ihr Leben vor Gott verantworten zu müssen. Schon damit die Völkermorde der Tyrannen, der Terror auf Weihnachtsmärkten und der Justizmord am Kreuz Jesu nicht das letzte Wort behalten, darf der Tod nicht ewig sein, sondern nur das Leben. Ohne Auferstehung käme keine ausgleichende Gerechtigkeit für die Opfer mehr. Und den Glauben, dass an Gottes Stelle die reine Vernunft das menschliche Handeln reguliert, kann ich auf Grund der augenblicklichen weltpolitischen Lage auch nicht mehr teilen. Aus all diesen Gründen können wir es uns nicht leisten, den Osterglauben als christlichen Markenkern einfach aufzugeben.
Frohe Ostern
Ihr Pastor Dirk Küsgen