EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Man(n) weint nicht - Jesus schon

Woher kommt es, dass Erwachsene immer meinen, ihre Tränen unterdrücken zu müssen? Das sind Folgen uralter Erziehungsmuster. Wenn ein Junge nach einem Sturz schrie, bekam er zu hören "Stell dich nicht so an. Ein Junge weint doch nicht." Das war wie eine zweite Ohrfeige, nein schlimmer.

Dirk Küsgen ist Krankenhauspfarrer im HELIOS-Klinikum Schwelm

Mädchen werden zwar auch als Heulsusen tituliert, aber es läuft anders. Als sich der angetrunkene Onkel bei einer Familienfeier mehrfach zweideutige Bemerkungen macht und sich an sie anschmiegt, bittet sie die Eltern, ihn hinauszuwerfen. Die vermeiden den Eklat und lassen sie im Stich. Am Ende ist das Opfer selbst ausgeschlossen, verriegelt ihre Zimmertür fest und weint.

Dabei ist die heilsame Wirkung des Weinens doch zu verstehen: Körperlichen Wunden werden gereinigt, wenn Blut nach außen abfließen kann. Innere Verletzungen dagegen drohen zu eitern und sich zu entzünden. Es ist mit seelischen Wunden ähnlich. Tränen reinigen die Seele und wirken befreiend.  Seelische Verletzungen hinunter zu schlucken kann zu Alpträumen, Schuldgefühlen und posttraumatischen Belastungsstörungen führen.

Wie gut, dass Gott wieder einmal anders und menschlicher ist als viele Menschen. In Anbetracht der kommenden Zerstörung des Tempels durch die Römer schämt sich Jesus seiner Tränen nicht. Er weint über Jerusalem. Und Gottes große seelsorgliche Verheißungen lauten "Ich will euch trösten, wie eine ihre Mutter tröstet" und "Gott selbst wird abwischen alle Tränen von ihren Augen."

Dirk Küsgen