EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Belastungen in die Waagschale werfen

Liebe Leserin, lieber Leser,

 

bei der Geburt meiner beiden Kinder machte ich die Erfahrung, dass ich sie kaum im Arm hatte, als die Hebamme sie mir weg nahm, um sie zu messen und zu wiegen.

 

Anke Lublewski-Zienau ist Pfarrerin in der Klinik Königsfeld

  

Kaum sind wir auf der Welt, geht das Wiegen und Messen schon los und so geht es weiter: der ist größer oder schwerer, die hat schon Haare, das Kind kann schon laufen, das schon sprechen und das braucht immer noch Windeln. Wir werden von Anfang an gemessen und verglichen. In der Schule bekommt man Noten, die nur so lang kein Problem sind, wie sie ausreichen. Aber wehe, wenn sie nicht reichen. Eine schlechte Beurteilung lastet oft schwer auf Kindern. Und auch auf ihren Eltern. Selbst das Berufsleben ist nicht vom Messen und Wiegen verschont. Die Messlatte für den Erfolg liegt oft wahnsinnig hoch. Der Druck, gut zu sein, kann am Lebensglück zerren, die Seele belasten und niederdrücken.
Manchmal ist es, wie es ist, zu viel. Ist der Druck zu groß, dann kann die Seele krank werden Wir sagen: depressiv - also nie-dergedrückt im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn man mitten in einer Depression steckt, dann ist alles zu schwer. Es fehlt die Leichtigkeit des Lebens, das Spielerische, das Fröhliche.

  
Von Paulus erfahren wir in einem Brief, den er an die Gemeinde in Korinth schrieb, wie er mit dem umgeht, was ihn belastet. Er erzählt, dass er zu dem, was das Leben schwer macht, ein Gegengewicht hat. Und da bin ich wieder beim Wiegen. Man kann sich das nämlich ganz bildlich vorstellen: Da ist eine Waage - nicht so eine, auf die wir uns am Morgen stellen und erschrecken, weil sie eine absolute Zahl anzeigt - sondern eine alte Balkenwaage. Kennen Sie die noch? Das ist eine Wiegevorrichtung, die aus einem waagerechten Balken besteht, der beweglich an einer Achse gelagert ist. An jedem Balkenende befindet sich eine Waagschale. Paulus meint nun, dass in der einen Waagschale all das liegt, was uns das Leben schwer macht, all die Verurtei-lungen und Beurteilungen, unsere Ängste, unsere Schwachheiten. Also all das, was uns im schlimmsten Fall nach unten zieht. Dann gibt es eine zweite Waagschale. Da hinein legt Paulus die Liebe Gottes. Und diese Liebe, ist so schwer, dass die Schale mit meiner Belastung nach oben kommt.
Die Liebe Gottes, so meint Paulus, hebt uns nach oben. Vielleicht wägen Sie ja innerlich schon ab: Was ist in meiner Waag-schale alles an Last drin, und wie kann ich Gottes Liebe so spüren, dass sie mich emporhebt? Mein Lieblingssatz, von dem ich gar nicht mehr weiß, wo ich ihn einmal gelesen habe, heißt: „Die Liebe unter den Menschen ist wie ein Fenster, durch das man die Liebe Gottes sehen kann.“ Deshalb glaube ich, dass diese in der Waagschale liegende Liebe Gottes, die uns emporhebt, uns nahe Menschen sind, die nicht urteilen, nicht verurteilen, nicht abwiegeln und beschwichtigen, sondern einfach da sind und uns und unsere Lasten mit uns aushalten. In ihnen schaue ich die Liebe Gottes. Sie heben mich zurück in die Lebendigkeit, wenn ich ganz unten war, und helfen mir, mit dem Belastenden umzugehen.
  
Mit herzlichen Grüßen für eine gesegnete Woche,
  
Ihre Anke Lublewski-Zienau