Heinz Ehrhardt hat es schon gewusst: So eine Kuh ist auch nur ein Mensch. Vielleicht lachen Sie jetzt oder halten mich für verrückt, wenn ich uns Menschen mit diesen Rindviechern vergleiche. Aber ernsthaft: es gibt viele Parallelen zwischen Kuh und Mensch. Die Bauern wissen das schon lange.
Genau wie wir Menschen brauchen Kühe den richtigen Ton. Sonst verstehen sie nicht, was man von ihnen will. Und nur beim richtigen Ton werden sie produktiv. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass die Milchproduktion bei Mozarts kleiner Nachtmusik besonders hoch ist. Hardrock ist für Kühe eher nicht anregend.
Genau wie wir Menschen macht die Kuh auch Karriere. Mit ihrem lila Fell ist sie aus der Werbung nicht mehr wegzudenken, sodass Stadtkinder zum Beispiel oft nicht mehr wissen, dass Kühe nicht wirklich lila sind.
Natürlich ist die Kuh ein Nutztier. Aber sie ist auch mehr. Sie darf nicht allein über die Milch, die sie gibt, definiert werden. Sie muss wahrgenommen werden mit ihren Bedürfnissen – wir nennen das auch artgerechte Haltung – und sie darf nicht immerzu verzweckt werden. Sie ist ja auch nur ein Mensch.
Der kann auch nicht leben, wenn er immer funktionieren muss. Auch ich brauche meine Auszeiten, muss Arbeits- und Festzeit sorgfältig trennen. Woran wir uns aber meistens nicht halten: unter den Menschen gibt es genügend Rindviecher, die nur ans Arbeiten denken. Die ganze Burnout- Diskussion hat uns vor Augen geführt, dass wir – aus welchen Gründen auch immer – unseren Wert viel zu sehr über die Arbeit definieren. Sind wir auf einer Party mit fremden Menschen zusammen, wird oft die Frage gestellt: „Und, was machen Sie?“ Jeder weiß, dass damit nicht das Hobby oder das gemeint ist, was man da gerade auf der Party macht. Gemeint ist der Beruf.
Aber wir sind mehr wert als das, was wir leisten. Wirklich! In meinen Augen – spricht Gott – bist du wert und schön und ich habe dich lieb (Jes 43,4). Solche Worte zu hören, tut gut, denn es gibt Zeiten, da können wir gar nichts leisten, da fühlen wir uns klein und unscheinbar oder erleben uns zerbrechlich und schwach. Das ist so, wenn uns unser Körper oder unsere Seele Grenzen aufzeigt, wie bei einer schweren Erkrankung, nach einer Operation oder nach einem Schicksalsschlag. In Gottes Augen sind und bleiben wir auch dann kostbar und wichtig, unverwechselbar und einmalig.
Und was hat das mit der Kuh zu tun? Sie kann uns an all das erinnern. Die Schriftstellerin Gertrud von le Fort schreibt: „Manchmal, wenn die Unrast unserer Zeit ihre Wogen in mein Leben schlägt – und welches Leben bliebe wohl von ihr verschont – tut es mir wohl, diesen gelassenen Geschöpfen in die großen tiefen Tieraugen zu blicken. Ein Zeitloses dämmert darinnen.“ Gottes Liebe ist zeitlos und ich bin mehr wert, als ich leiste.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag, der Ihnen hoffentlich Festzeit und nicht Arbeitszeit ist.
Ihre
Anke Lublewski-Zienau