EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Kind, entscheide das selber!

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

welche Entscheidungen überlässt man seinem Kind? An welchen Stellen greift man fürsorglich ein, wann verbietet man etwas, wann erwartet man etwas und wann hilft man dem Kind, seine eigene Entscheidung zu treffen?

 

Helmut Kirsch ist Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Gevelsberg

  

Ich lasse mein Kind nicht aufs Eis, wenn ich weiß, dass das Eis zu dünn ist. Ich verbiete meinem Kind den Umgang mit Leuten, die ihn zum Konsum von Drogen verführen. Als begeisterter Fußballspieler bringe ich mein Kind zu den Orten, wo es Fußball spielen kann. Bin ich begeistert von der Musik, bringe ich mein Kind zum Musikunterricht, damit es ausprobieren kann, ob es Gefallen daran hat.

 

Manches kann ein Kind nicht wissen. Ich brauche Training, um in einer Sache gut zu werden – auch im Sport. Auf einem Instrument hören sich die ersten Töne vielleicht schrecklich an; schafft das Kind aber die ersten Melodien – nach ein wenig Üben und Selbstüberwindung -, bekommt es Freude an „seinem“ Instrument und es muss zu nichts mehr überredet werden.

 

Manches kann ich einem Kind nicht einfach überlassen, weil es nicht weiß, wovon man als Vater oder Mutter redet. Ich kann einem Kleinkind nicht überlassen, ob es auf die heiße Herdplatte fassen darf oder nicht.

Liegt ein Kind zu Hause krank im Bett, frage ich nicht das Kind, ob es zum Arzt muss.

 

Wie ist es mit der Konfirmandenzeit? Das Kind kommt in die 3.Klasse. Sehr wahrscheinlich entscheiden Eltern oder Großeltern, dass es für das Kind gut ist hinzugehen (oder sie entscheiden sich dagegen). Es entscheidet in Normalfall nicht das Kind.

Das Kind kommt in die 7.Klasse. Kann es sich mit ca. 12 Jahren entscheiden, ob die Konfizeit für es gut ist oder nicht?

Die Tradition „Konfirmandenunterricht gehört dazu. Du gehst!“ findet wohl ein Ende in ihrer Selbstverständlichkeit. Damit müssen sich Eltern bewusst entscheiden, ob sie ihrem Kind diese Erfahrung des Konfi nahebringen wollen oder nicht. Das Kind selber kann es oft nicht entscheiden, weil es in vielen Fällen gar nicht weiß, worum es in dieser Zeit gehen wird.

 

Für mich als Pfarrer bedeutet das: Es kommen seit einigen Jahren nur noch die Kinder, die sich selber für die Teilnahme am Unterricht entscheiden. In den letzten Jahren waren die Stunden mit den Konfirmanden, da alle von vornherein motiviert waren, die schönsten Jahrgänge meiner Berufszeit. Die Konfis fragen, denken nach, verlangen Antworten, lassen sich ein auf die vielfältigen Angebote (wir haben doch mehr Möglichkeiten als jede Schule) und entwickeln dabei ihre Persönlichkeit.

 

Wenn aber Kinder gar nicht wissen, was sie von der Konfizeit erwarten dürfen, dann entscheiden sie sich vielleicht lieber für ihren Sport oder PC-Spiele. Ich sehe hier die Chance für Eltern, ihre Kinder zu ermutigen, dass sie sich in der Auseinandersetzung mit dem Glauben entwickeln können: Das (kritische) Denken auszubauen, Erfahrungen mit spirituellen Dingen auch auf der Gefühlsebene zu machen, eben sich als Persönlichkeit zu entwickeln.

 

Haben Kinder nachgedacht, haben sie Gemeinschaftserfahrungen in dieser Zeit gemacht und ein Gespür für den Wert des Glaubens bekommen, dann können sie sich eher entscheiden, wie sie zu Gott und dem Glauben und zur Kirche stehen. Um aber eine Basis für die Entscheidung zu bekommen, braucht man das Ausprobieren. Eltern können ihre Kinder dazu ermutigen.

Die Zeit, in der seitenweise Lieder auswendig gelernt wurden, ist lange schon vorbei.

  

Ihr Pfarrer Helmut Kirsch