In den Restrooms der Bochumer Uni, Fachbereich Evangelische Theologie, hatte sich in den 1980er-Jahren ein unbekannter Künstler mit einem Schreib- und Malwerkzeug für Grobmotoriker, nicht wasserlöslich, verewigt. Man sah einen Fernseher gezeichnet. Am oberen Bildschirmrand befand sich ein Paar beschuhter Füße, ohne Rumpf und Kopf, darunter war der Titel des Gemäldes. "Direktübertragung Christi Himmelfahrt."
Nun mag man das entweder für witzig halten oder für Sachbeschädigung, Blasphemie, groben Unfug. Allein: Welches Bild hätten wir dem entgegenzusetzen? Etwa nur die weiße Wand, die sich im Urzustand auf dem Örtchen befand, weil wir keine Vorstellung von der Himmelfahrt mehr haben? Die Jünger bekommen bei der biblischen Himmelfahrt (Apostelgeschichte 1,11) von den Engeln einen Rüffel erteilt, weil sie Jesus, nachdem er zusehends vor Ihren Augen aufgehoben worden ist, hinterherstarrten.. Ihr Jesusbild hatte sich soeben aufgelöst und sie starren ins Leere. Für uns moderne Menschen hat sich noch mehr aufgelöst: Das Drei-Etagenbild, oben der Himmel, im Keller die Hölle, dazwischen das Erd-Geschoss, ist veraltet, seitdem wir wissen, dass die Erde rund ist. Zudem ist der "Himmel" mittlerweile auch noch schiffbar geworden. Den Spott Juri Gagarins, des ersten Menschen im All, er sei dort Gott nicht begegnet, haben wir noch im Ohr.
Solange wir Christi Himmelfahrt nicht anschaulicher präsentieren können als mit Achselzucken, einem Loch in der Luft und einer weißen Latrinen-Wand, wundert es nicht, dass die Avantgarde des untergehenden christlichen Abendlandes wie einst die alten Germanen durch die Wälder zieht, bollerwagenweise Met säuft und Oden vom Vatertag säuselt. Die Religion verlangt nach Anschaulichkeit für das Unsichtbare, wohl wissend, dass wir uns im Glauben immer nur in Bildern dem Heiligen annähern können.
Einen Satz, der einprägsam ist, habe ich mir gemerkt: "Jesus ist von der Welt des Sichtbaren ins Unsichtbare übergegangen." Ich stelle mir vor, dass sich der sichtbare Körper allmählich in einen Unsichtbaren verwandelt hat. Selbst wenn das einen Jugendlichen der 70er Jahre wie mich ein wenig an das Weg-Beamen im Raumschiff Enterprise erinnert, gibt es einige biblische Vergleichsstellen, etwa das plötzlichen Verschwinden Jesu vor den Augen der Emmaus-Jüngern (Lukas 24,31) oder die kurze Begegnung mit Mose und Elia auf dem Berg der Verklärung (Matthäus 17,1-9).
Ein zweiter einprägsamer Satz war mir: "Himmelfahrt ist das Gegenteil von Weihnachten." Wenn zu Weihnachten Jesus Fleisch geworden ist, dann wurde er zu Himmelfahrt wieder zu einem ganz und gar geistlichen Wesen.
Ein drittes Bild habe ich mit achtjährigen Kindern des Konfirmandenunterrichts im dritten Schuljahr entwickelt. Das Wasser wird, wenn es verdunstet, unsichtbar. Es ist aber immer noch im Raum, nur jetzt nicht mehr in einer Tasse, sondern überall, als Wasserdampf. Was lehrt uns das? Seit Himmelfahrt ist uns Jesus nicht ferner geworden, sondern in Wahrheit näher gekommen. In Fleisch und Blut konnte er nur immer an einem Ort sein. Er ist nicht weg, sondern überall. Man könnte es auch komplizierter erklären. Im Uni-Dialekt klingt diese kinderleichte Vorstellung etwas anders Auf die Inkarnation (Fleischwerdung) folgt die Ubiquität (All-Gegenwart). Sätze, die die Welt nicht braucht. Vergessen Sie das schnell wieder! Kehren Sie zu meiner ehemaligen Unterrichtsgruppe mit ihren klaren Anschauungen zurück!
Die Qualität eines Gleichnisses erweist sich darin, wie strapazierfähig es hinterfragt werden kann. Die Einwände der Kinder, die kamen, waren klug, konnten aber einfach beantwortet werden. Der Einwand war: "Aber es regnet doch wieder." Der Dampf bleibt also nicht Dampf, sondern wird wieder zu Wasser. Wenn das Wasser zurück auf die Erde kommt, was ist dann mit Jesus? Nach "aufgefahren in den Himmel" folgt im Glaubensbekenntnis "von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten". "Kondensiert" Jesus also wieder und wird erneut sichtbar? Für den, der daran glaubt, dass er am Ende der Zeit zurückkommt, gewiss. Die Fortsetzung von Himmelfahrt erfolgte dann im November, am Ewigkeitssonntag.
Ihr Pastor Dirk Küsgen