Paulus, der selbst kein Jünger Jesu war, sondern die junge Kirche sogar verfolgte, hat auf eine ganz ungewöhnliche Weise Jesus und seine Botschaft erfahren (Apostelgeschichte 9,1-9). Diese Art der Offenbarung zeichnet ihn vor allen anderen Aposteln aus. Er weiß darum. Aber offensichtlich kennt er auch die Gefahr, die damit verbunden ist: die Gefahr der Überheblichkeit.
Da sind Menschen, die durch eigenen Fleiß oder Beziehungen in eine herausgehobene Stellung gekommen sind und manche meinen deshalb, etwas Besseres als andere zu sein. Beispiele kennen wir genug.
Wie verheerend sich das auswirkt, erfährt zurzeit besonders die katholische Kirche, aber auch ihre Mitglieder, die Christen. Vor allem von den Verantwortlichen in den Leitungsämtern will man nicht mehr hören.
Wenn dann zur Überheblichkeit auch noch Versagen und Schuld hinzukommen, dann ist es ganz aus, weil dann jede Glaubwürdigkeit verspielt ist.
Paulus kennt dagegen ein Mittel, das ihm zwar sehr zuwider ist, das er aber schließlich als ungeliebte Hilfe akzeptiert. Darüber schreibt er: „Damit ich mich nicht überhebe, wurde mir ein Stachel ins Fleisch gestoßen, ein Bote Satans, der mich mit Fäusten schlägt.“(2 Kor 12,7)
Die Theologen rätseln, was damit gemeint ist. Aber was Paulus „Bote Satans“ nennt, wird kaum ein schwerwiegenderes körperliches Gebrechen sein. Eher scheint es sich um Schuld und Versagen zu handeln, die ihm immer wieder zu schaffen machen. Er hat Gott gebeten, ihn davon zu befreien. Aber Gott erhört die Bitte nicht, sondern erwidert: „Es genügt dir meine Gnade.“ (2 Kor 12,8-9)
Es ist schon bemerkenswert, dass Gott ihn – uns – nicht vor Schuld und Versagen bewahrt. Vermutlich versteht er dies wie Paulus als heilsames Mittel gegen Anmaßung und Überheblichkeit.
Das Wissen um die eigenen Grenzen als Schuld und Versagern, als Grenzen von Wissen und Erkennen – das schließt auch die Theologie mit ein – kann eine Chance zu neuer Glaubwürdigkeit sein. Wir Christen als Priester oder „Laien“ sind nicht über andere erhaben, sondern teilen mit ihnen alles Menschliche im Guten wie im Schlechten.
Das Wissen um unsere Grenzen ist eine Chance, sich und andere neu zu sehen und neu zu bekennen, was das Evangelium für uns heute bedeutet. Eigene Grenzen anzuerkennen, ist eine Einladung, mit allen anderen Menschen guten Willens zu suchen und zu fragen, was heute als Orientierung gesagt werden muss.
Zurzeit dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Kirche und die Christen in der Öffentlichkeit nicht mehr gehört werden und dann auch selber zu wichtigen Fragen schweigen.
Nur, die Option zu schweigen, haben wir als Christen nicht. Paulus sagt das im gleichem Zusammenhang im ersten Brief an die Korinther so: „Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde.“(1 Kor 9,16) Dann gilt auch: Wehe uns, wenn wir seine befreiende frohmachende Botschaft nicht wieder sichtbar machen.
Aber auch eine am Versagen gereifte Kirche wird niemals aller Menschen Freund werden; denn die Botschaft Jesu ist bis heute für die einen eine Befreiung und für andere ein Zumutung.
Ihr Pastor Bauer