EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Gottvertrauen

"Die dem Herrn vertrauen kriegen neue Kraft, dass sie auffahren wie Adler ..." lautet ein Wort des Propheten Jesaja.

Pfarrer Dirk Küsgen ist Krankenhausseelsorger im Helios-Klinikum Schwelm

       

Dazu fällt mir blitzartig eine Getränkewerbung mit Flügeln ein. Aber kein Adler, sondern ein rot-geflügeltes Rind flüstert mir permanent sein Werbe-Mantra ins Ohr. Wahrscheinlich hätten die Evangelisten des Neuen Testaments über einen, der solch einen mentalen Schluckauf nicht los wird, die Diagnose gestellt: "Er hat einen Dämon".

 

Im Gegensatz dazu habe ich Menschen vor Augen, die ihre schweren Füße mühevoll vorwärts schleppen. Sie bräuchten Adlerflügel. Patienten nach Hüftoperationen kämpfen sich tapfer das Klinik-Treppenhaus hoch und herunter, angeleitet von Physiotherapeuten. In einem anderen Hospital hat sich eine Schwester einen Tag lang einen Schrittzähler umgelegt. Sie kam auf über 10 Kilometer pro Schicht. Ist Jesajas Wort von den Müden, die fliegen wie Adler, nicht völlig realitätsfern?

  

Wer wie ein Adler schweben will, muss erst einmal Ballast abwerfen. Ein Gespräch mit einem guten Freund, einem Therapeuten oder Seelsorger kann dabei helfen. Ohne Bleigewichte kann die Seele aufatmen und spüren, dass sie gelegentlich mal zum Himmel fliegen möchte. Aber so schnell geht das nicht. Sie wird erst noch lernen müssen, dass Flügel nicht in Sekunden wachsen wie im Zeichentrickfilm der Getränkewerbung. Selbst echte Vögel können noch nicht fliegen, wenn sie geboren werden. Die Flügel müssen erst langsam wachsen, bis die Küken flügge werden. Schritt 1 war, seelischen Ballast abzuwerfen. Schritt 2 ist, Geduld zu üben. Erst im dritten Schritt fliegt die Seele zum Himmel. Durch Loblieder oder Gebete kann sie sich zu Gott erheben. Schade ist, dass die meisten evangelischen Nasen gegen Weihrauch allergisch sind. Dessen Symbolik ist es nämlich, seinen Nebel zum Himmel aufsteigen zu lassen wie unsere Gebete und Lieder. "Dankbare Lieder sind Weihrauch und Widder" heißt es in einem Paul Gerhardt- Lied. Der Liederdichter war gewiss kein Katholik, sondern sturer Erz-Lutheraner. Aber wo er Recht hatte, hat er auch heute noch Recht. Wenn ein Tiroler Disc-Jockey die Hände zum Himmel heben lassen kann, können wir wohl umso mehr mit selbst gesungenen Liedern und Gebeten die Seele zum Himmel erheben! Gelegentlich schöpfen wir damit neue Kräfte wie Adler. Eine an der Lunge erkrankte Patientin sagte mir einmal, an jenem Tag (selbstverständlich nicht generell) habe ihr das Singen im Gottesdienst mehr gebracht als alle Anwendungen.

Ihr Pastor Dirk Küsgen