Ich lag um Mitternacht im Bett, wachte kurz auf und freute mich. Die Glocken läuteten. Ich nahm die Auferstehung meines Herrn kurz zur Kenntnis, drehte mich um und schlief weiter. Ich ahnte: Morgen früh, wenn ich zur Kirche gehe, würde es dem halben christlichen Abendland so gehen wie mir zur Mitternacht: Sie hören die Glocken, nehmen Ostern zur Kenntnis, drehen sich wieder um und schlafen weiter.
Wir wissen noch, dass Glocken zum Gottesdienst einladen. Aber wozu läuten sie morgens, mittags, abends? Keine Ahnung! Fragen wir lieber gleich den Experten und nicht erst das Publikum. Morgens früh, wenn die Leute auf die Felder gingen, riefen die Glocken zum Gebet und abends nach getaner Arbeit auch. Selbst die Mitte des Tages war durch ein Gebet vorstrukturiert. Wir haben es verlernt, aber unsere Mitbürger erinnern uns an feste Gebetszeiten am Tag. Wenn ich selbst, zugegebenermaßen eher zufällig, gegen High Noon im Gebets-Raum des Klinikums sitze, bekomme ich Besuch von muslimischen Kolleg(inn)en. Respekt! Durch diese wenigen Minuten am Tag zeigen sie, wer ihren Tages-Rhythmus eigentlich bestimmt - Gott, der Krankenhauskonzern oder das Nikotin der Rauch-Pause? Die Alternative Gott oder Mammon hatte Jesus einst auch gestellt. Noch erinnern uns Glocken, dass Arbeit zwar wichtig, aber nicht alles im Leben ist.