EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Je suis Gutmensch

So, der Gutmensch ist also zum Unwort des Jahres geworden.

Pfarrerin Marianne Funda ist Frauenreferentin im Evangelischen Kirchenkreis Schwelm

  

 

Egal, ob ich das passend finde, Fakt ist, dass das mitleidig-zynische Abqualifizieren von Menschen, die sich im letzten Jahr für geflüchtete Menschen in unserem Land engagiert haben, anscheinend in Mode gekommen ist. Gutmenschen wird unterstellt, sie seien naiv und kritiklos. Aber schon Goethe hat den Gutmenschen gefordert, wenn er dichtete: “ Edel sei der Mensch, hilfreich und gut…“. War Goethe etwa ein naiver Trottel? Und die beiden Einzelworte „Gut“ und „Mensch“ stehen doch hoch im Kurs: Wir sollen alle gut im Beruf sein und der Mensch ist die Krone der Schöpfung.

  

In den Augen jener, die „Gutmensch“ als Verunglimpfung benutzen, bin ich auch ein Gutmensch.  In Diskussionen wird mir schon mal vorgeworfen(!), ich glaube an das Gute im Menschen.  Ja – kann ich nur sagen, das tue ich. Einerseits glaube ich das grundsätzlich für alle Menschen – nicht für bestimmte Gruppen. Und ich glaube oft an das Gute in den Menschen, die mir begegnen und die ich kennen lerne. Bisher bin ich da selten enttäuscht worden. Deshalb können die Geschehnisse in der Silvesternacht meine grundsätzliche Haltung nicht verändern. Ich sollte wohl nicht erwähnen müssen (tue ich aber sicherheitshalber), dass ich diese Geschehnisse verurteile. Und ich hoffe inständig, dass sich „Gutmenschen“ um die Opfer dieser Ereignisse kümmern -  jenseits aller öffentlichen Diskussionen um Schuld und Verantwortung.

   

Kluge Menschen benutzen das Wort, mit dem sie beschimpft werden, einfach selber und machen sich so über die SchimpfwortbenutzerInnen lustig. Behinderte Menschen  bezeichnen sich als Krüppel, Schwule als Tunten, französische Frauenrechtlerinnen als Suffragetten und dunkelhäutige Menschen verkünden „black ist beautiful“. Auch das Wort „Christ“ ist zur Zeit der ersten Christenverfolgungen ein Schimpfwort gewesen.

  

Ob uns „Gutmenschen“ solche eine Umdeutung gelingt, weiß ich nicht. Jesus hat das übrigens geschafft. Er erzählt die Geschichte vom barmherzigen Mann aus Samaria, der einen Verletzten am Wegesrand findet, der unter die Räuber gekommen ist. Und der Samaritaner hilft diesem Mann, versorgt ihn aufopfernd und rettet ihn. Die, die Jesus damals zuhörten, hielten nichts von den Samaritanern.  Sie hätten den falschen Glauben und beugten sich nicht der Dominanz des stärkeren Volkes. Jesus hat das Weltbild seiner ZuhörerInnen erschüttert. Und über die vielen Jahrhunderte ist aus einem Schimpfwort eine ehrenwerte Bezeichnung geworden: der gute Samariter.

   

Und so sage ich jetzt mal ganz selbstbewusst: „Je suis Gutmensch“, und das ist gut so. Das hat nichts mit Selbstlob zutun. Ich bin weit entfernt davon, zu behaupten, dass mir immer gelingt, Gutes zu tun. Aber den Glauben an das Gute im Menschen und die Bemühung, mit meinem Handeln auch für andere da zu sein, lasse ich mir nicht ausreden. Das Schöne daran ist, dass ich nicht alleine bin. Hier in unseren Städten, in unserem Land und überall auf der Welt gibt es massenhaft Gutmenschen aus allen Religionen, Völkern, Gesellschaftsschichten und Ländern.  Lassen wir uns doch einfach mit Spaß und Freude verunglimpfen und nehmen es als Auszeichnung.

   

Ich grüße Sie herzlich und wünsche Ihnen eine friedliche Woche

Marianne Funda