Sie sind im Bekanntenkreis eingeladen und nach dem üblichen Smalltalk sitzen Sie dann zufällig einem Gast gegenüber, mit dem Sie in ein intensiveres Gespräch kommen. Ihr Gegenüber sieht Sie mit freundlichem Interesse an, hört konzentriert dem zu, was Sie erzählen, fragt, wenn er etwas nicht versteht und lässt Sie ausreden, ohne Ihnen ins Wort zu fallen. Sie erzählen auch von dem, was Ihnen gerade auf dem Herzen liegt. Er bewertet nicht, was Sie sagen. Er spricht auch nicht gleich von dem, was er erlebt hat. Er gibt Ihnen das Gefühl, respektiert zu werden. Und während Sie weiter sprechen, spüren Sie, wie sich Ihre Gedanken klären. Das tut gut. Als Sie sich später verabschieden, lächeln Sie Ihrem Gesprächspartner zu und spüren, dass zwischen Ihnen eine Beziehung entstanden ist, auch wenn Sie sich vorher nur flüchtig gekannt haben.
Schade, dass eine solche Begegnung nicht oft geschieht. Vielleicht hatte der Gesprächspartner ein „hörendes Herz“.
In der Bibel (1.Kön.3) gibt es eine Geschichte dazu. Da ist der legendäre Salomo noch jung und gerade erst unter schwierigen Umständen König geworden. Eines nachts hat er einen Traum. Gott spricht mit ihm und gibt ihm einen Wunsch frei. Salomo bittet um ein hörendes Herz. Und er erhält ein weises und verständiges Herz geschenkt. Seine sprichwörtliche Weisheit kommt aus dem Hören auf Gott.
In der Bibel steht das „Herz“ für den ganzen Menschen, seine Mitte, den Sitz des Denkens und Verstehens. Mit dem Herzen höre ich anders als nur mit den Ohren, bin ganz aufmerksam, ganz zugewandt. Wir sind darauf angewiesen, dass jemand mit uns spricht, uns wahrnimmt, uns ansieht, in Beziehung zu uns tritt. Das kann heilend sein.
Alles Reden sollte aus dem Hören kommen. In unserer Gesellschaft, in der Kommunikation oft in einer Einbahnstraße verläuft in Richtung des Sendens, Postens und Twitterns, ist das Zuhören ein Geschenk.
Ich wünsche uns, dass Gott uns mit einem hörenden Herzen beschenkt und dass uns Menschen mit einem hörenden Herzen begegnen.
Ihre
Maria Magdalena Weber