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Begegnung mit Bartimäus

Vor einiger Zeit ist er mir wieder begegnet. In einer Zeit, in der es in meinem Leben gerade nicht besonders rund lief und ich irgendwie zwischen resigniertem Aushalten und verzweifelten Durchhalten feststeckte. Und dann traf ich ihn. Vielleicht brauchen sie ihn ja auch mal. Bartimäus. Sie finden ihn im Evangelium des Markus im 10. Kapitel.

Elena Kersten in Pfarrerin im Evangelischen Kirchenkreis Schwelm

  

 

Bartimäus. Ein armer Mann, ein blinder Mann. Still, einsam und verlassen sitzt er am Wegesrand während das Leben an ihm vorbeizieht. Er gehört nicht dazu. Noch nie oder nicht mehr. Er merkt es auch gar nicht so richtig. Vielleicht ein dumpfer Schmerz, vielleicht nur Leere. Das Leben zieht vorüber, er kann es nicht sehen, er wird nicht gesehen. Seine Stille, seine Einsamkeit, seine Verlassenheit machen ihn unsichtbar. Nicht nur er lässt das Leben ziehen, nein auch das Leben interessiert sich nicht für ihn. Vergessen oder unbemerkt. Nicht nur arm an Geldmitteln, nein arm an Gesundheit, an Kraft, an Freude. Blind vor Verblendung, blind vor Trauer, blind vor Selbstmitleid.

  

Ich entdeckte mich wieder. Wie ähnlich fühlte ich mich gerade. Am Straßenrand sitzend und nichts tun, alles vorüberziehen lassen, unbewegt und nichts bewegend. Eine Auszeit könnte man es freundlich nennen, Endzeit weniger freundlich. Allerdings, nicht immer können wir sofort weitermachen, sofort alles anpacken, sofort Lösungen parat haben oder entwickeln. Nein, wir brauchen Momente in denen wir am Straßenrand sitzen. Um zur Besinnung zu kommen, um zu wissen was uns wirklich fehlt.

  

 Straßenrandmomente sind wichtig, Straßenrandewigkeiten jedoch tödlich.

Es mag manchmal stimmen, dass das Leben sich nicht für uns interessiert, doch vielleicht interessiert uns ja doch noch das Leben. Bartimäus sitzt dort lange am Straßenrand, er scheint nicht wirklich hoffnungsvoll, außen vor, nicht dabei, uninteressant und uninteressiert. Doch dann hört er, dass Jesus auf der Straße ist, gerade an ihm vorbeigeht, auch vorbeizieht. Und da beginnt er zu schreien. Ein Schrei nach Leben, nach Teilhabe, ein Ruf der Hoffnung. Da ist etwas das ihn interessiert.

  

Und die Anderen, sozusagen das Leben? Die interessieren sich immer noch nicht für Bartimäus, sondern nur dafür, dass ein alter Bettler bitte schnell wieder still sein soll. Auch nicht ganz unbekannt. Da hat man sich aufgerafft. Endlich mal wieder raus gehen. Endlich mal wieder die Kinder oder die Eltern  anrufen. Endlich mal zu einen Treffen gehen, endlich mal daheim bleiben. Endlich mal was lernen, arbeiten, lesen, feiern… Endlich mal leben, raus aus der ausgehaltenen Resignation, aus der durchgehaltenen Verzweiflung. Aber es gelingt nicht sofort. So ergeht es auch Bartimäus, aber die Aussicht auf Jesus, die Aussicht mit Jesus auf einem Weg zu sein gibt ihm Kraft, Ausdauer und eine starken Willen. Die Aussicht auf echtes Leben.  Er schreit lauter, gegen den einsamen Tod am Wegesrand. Um Erbarmen, um Hilfe. Nicht nur am Weg sein oder gar im Weg, sondern auf dem Weg sein. Mit dabei sein. Mit dabei im Leben.

  

Als Bartimäus endlich bei Jesus angelangt ist wünscht er sich, dass er sehen kann und sein Wunsch wird erfüllt. Ein Happyend, wie wir es nicht immer erleben oder zumindest nicht erkennen. Und trotzdem. Die Heilung des Bartimäus, sein Leben begann schon als er voller Hoffnung aufsprang, als er rief und bat, als er sich an den Anderen vorbeikämpfte, an sich selbst vorbeikämpfte. Und unsere ebenso. Jedenfalls begann meine so. Gönnen wir uns Straßenrandmomente und nutzen wir jede kleine Gelegenheit den Straßenrandewigkeiten zu entkommen. Aufschreiend und gerufen.

 

Mit liebem Gruß

Ihre

Elena Kersten