EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Nur die Geduld nicht verlieren

In meiner Tätigkeit als Klinikseelsorgerin erfahre ich täglich von Schicksalsschlägen.

Manchmal erleben wir Katastrophen, die das ganze bisherige Leben in einem anderen Licht erscheinen lassen.

Pfarrerin Anke Lublewski-Zienau ist Krankenhausseelsorgerin in der Klinik Königsfeld in Ennepetal

Dazu gehört zum Beispiel der plötzliche Tod eines Menschen oder der Befund einer schweren Erkrankung. Auf einmal ist alles anders, ist wie auf den Kopf gestellt: Wichtiges wird unwichtig. Unwichtiges wird wichtig. Es verschieben sich die Maßstäbe. Uns wird klar, dass das bisher Selbstverständliche eben nicht selbstverständlich ist, und vielleicht auch, dass wir uns viele Sorgen gemacht haben um so manch Unwichtiges.
Auch Paulus hat solch eine einschneidende Situation erlebt. Es war ein Moment, in dem er dachte, dass alles aus ist. Er wurde in Damaskus von einem Blitz getroffen. Danach war er blind. Das wurde zum Wendepunkt in seinem Leben: Er gerät in eine tiefe Krise.

Bis zu diesem Zeitpunkt der Krise hatte er mit Leidenschaft junge christliche Gemeinden verfolgt, weil er der festen Überzeugung war, dass sie Gott lästern, wenn sie sagen, dass er in Jesus Christus gekreuzigt worden sei.

Und dann sind es ausgerechnet Christen, die ihm in seiner schweren Not helfen. Und nun in seiner eigenen Krise und Krankheit erkennt er durch seine neuen Freunde: In diesem Tod am Kreuz wird erkennbar, dass Gott im Schwachen ist. Gott ist bei den Menschen, die im Dunkeln sind, die an der Grenze stehen, die Angst haben, die nicht mehr weiterwissen. Das wird für Paulus die neue Wahrheit – auch als er wieder gesund wird.

Paulus macht aber auch deutlich, dass der Weg vom Dunkel ins Licht ein Prozess ist. Im Brief an die Römer (Kapitel 5) macht er das ganz behutsam, zeigt einen Schritt nach dem nächsten: „Bedrängnis bringt Geduld, Geduld bringt Bewährung. Bewährung Hoffnung. Hoffnung lässt nicht zu Schanden werden.“
Und das verstehen wir in der momentanen Krise besonders gut: geraten wir in eine Notlage, so brauchen wir Geduld. Das ist schwer. „Meine“ Patienten sagen das oft: es wäre schön, wenn eine Operation wie ein Werkstattbesuch des Autos ist: Auto kaputt – Reparatur – danach läuft der Wagen wieder; aber so ist es nicht, es braucht Geduld, bis „es“ wieder läuft. Diese Geduld ist eine Bewährungsprobe, denn je länger der Heilungsprozess fortschreitet, umso mehr Erfolge sieht man. Diese Erfolge machen Hoffnung. Bei uns in der Klinik ist eine lange Treppe vor der Aula, in der Gottesdienst stattfindet. Wie oft ist es so, dass Patientinnen oder Patienten nach 3 Wochen Aufenthalt diese Treppe zum Gottesdienst hochgelaufen kommen, manchmal noch mit kleinen Pausen und außer Atem, aber ganz glücklich und stolz, dass sie etwas schaffen, das drei Wochen vorher unmöglich erschien. Diese Hoffnung, die aus der Bewährung entsteht, ist es, die uns Kraft zum Weitermachen gibt.

Seit letztem Mittwoch ist „meine“ Klinik Quarantänegebiet und ich bin häuslich isoliert. Die Worte von Paulus trösten mich. Wir dürfen nur die Geduld nicht verlieren.

Ihre

Anke Lublewski-Zienau