EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

“aggressiv gehemmt”

Liebe Leserin und lieber Leser,

sind Sie eigentlich auch so “aggressiv gehemmt” wie ich? Vielleicht wissen Sie ja nicht, was das ist.

Uwe Hasenberg ist Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Gevelsberg

  

 

Aggressiv gehemmt waren für Hanns Dieter Hüsch die Menschen, die schlecht “Nein” sagen können. Auf die Frage: “Kannst Du das machen?”, möchten sie zwar “Nein” sagen, aber sie sagen statt dessen “Ja” und denken dabei: “Man weiß ja nicht, wofür es gut ist!” Oder in der Vergangenheitsform: “Man weiß ja nicht, wofür es gut war.”

  

Erst neulich ergab sich wieder so eine Situation, die mich fragen ließ, wofür das gut sein sollte. Meine Frau und ich wollten verreisen. Die Fähre war für Mittwoch gebucht. Der Urlaub begann aber schon am Montag. Es gab eigentlich keinen Grund für einen Aufschub der Fährfahrt. Aber man weiß ja nicht, wofür es gut war. Jedenfalls war am ersten Urlaubstag noch so viel aufzuarbeiten, dass wir erst am frühen Nachmittag losfahren konnten.

Nach einer Fahrtzeit von einer Stunde auf der Autobahn gab es einen lauten Knall und der Autoreifen hinten rechts war geplatzt. Das Auto ließ sich problemlos auf den Standstreifen manövrieren, ohne das Gefahr bestand für andere Verkehrsteilnehmer und uns. Aggressiv gehemmt, wie ich bin, blieb ich ruhig und gelassen wie meine Frau. Wir wurden abgeschleppt, der Reifen wurde gewechselt und wir konnten mit dem Reservereifen weiter fahren. Uns war aber klar, dass wir einen ganzen Satz neuer Reifen brauchten, denn wir hatten schließlich vor, über 5.000 Kilometer mit dem Auto durch Skandinavien zu fahren. Doch um diese Zeit hatte kein Reifenhändler mehr sein Geschäft geöffnet. So beschlossen wir, ein befreundetes Ehepaar zu besuchen, um am anderen Tag neue Reifen zu besorgen. Unsere Freunde freuten sich sehr, uns unverhofft zu sehen und luden uns gleich ein, bei ihnen zu übernachten. Es wurde ein schöner Abend. Da wussten wir, wofür es gut war.

Am anderen Morgen informierte uns ein Reifenhändler vor Ort, wo vier neue Reifen für unser Augen gelagert wurden. Nach einer halben Stunden Fahrtzeit in ein kleines Dorf in Niedersachsen, das wir sonst nie durchfahren hätten, konnten die Reifen gewechselt werden. “Sie haben Glück, dass wir diese Reifen haben. Ein Kunde hatte sie bestellt, aber nicht abgeholt”, sagte der Verkäufer zu uns.

Glück?, fragte ich mich. Das war kein Glück. Und ich dachte an den Apostel Paulus, der wohl auch aggressiv gehemmt war, und schrieb: “Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluß berufen sind.” (Römerbrief 8,28) Wie gut, dass die Fähre erst für Mittwoch gebucht war. Man weiß ja doch oft nicht, wofür es gut war. Und so finde ich es im Rückblick gar nicht so schlecht, “aggressiv gehemmt” zu sein. Versuchen Sie es doch auch einmal. Ganz im Sinne des Apostels Paulus oder Hanns Dieter Hüsch oder Dietrich Bonhoeffers: “Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.”

Eine schöne Woche wünscht Ihnen

Ihr Pastor Uwe Hasenberg