EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Zeit verschenken

Nicht das Geld, sondern die Zeit ist in unserer Gesellschaft am ungerechtesten verteilt.

Dirk Küsgen ist Krankenhauspfarrer im HELIOS-Klinikum Schwelm

Die einen stehen im Dauerstress, die anderen spüren in sich große Leere. Die einen sind überarbeitet, andere sind arbeitslos. Zeit für Menschen zu haben rechnet sich im Gesundheitswesen nicht. Vielen Kindern fehlt es nicht am Materiellen aber umso mehr an Eltern, die Zeit für sie haben. Erwachsene Kinder sterben zu früh und ihre hoch betagten Eltern hätten ihnen gern noch einige ihrer Lebens-Jahre abgegeben. Erschütternd und befriedigend zugleich ist ein Anruf bei einem alten Mann, dessen Sohn vor einiger Zeit im Krankenhaus verstorben ist und dessen Frau neuerdings mit Demenz im Altenheim ist. Ein Anruf bei ihm dauert lange und verändert seine Situation nicht. Sie macht die Frau nicht jünger und den Sohn nicht lebendiger. Ist der Anruf vertane oder verschenkte Zeit im doppelten Sinn des Wortes? Für ihn war er wertvoll, denn sonst hat keiner die Zeit, ihm noch zuzuhören, was ihm auf der Seele liegt. Stundenlang sitzt er allein in einem Café, täglich besucht er seine Frau im Heim, die fast alles vergisst. Ob er an meinem Anruf wenigstens merkt, dass ihn zumindest Gott noch nicht vergessen hat? Ich träume von einem Café, in dem man notfalls auch mit Geld bezahlen kann, aber viel lieber mit der Zeit, die man einem anderen Menschen geschenkt hat. Diese Zeit ist nämlich kostbar - kostbarer als Geld.