Über Weinberge, Weinstöcke und Reben finden sich immer wieder Aussagen in der Bibel. So auch im morgigen Sonntagsevangelium aus Johannes 15: „Jesus Christus spricht: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“
Was wäre eigentlich, wenn so eine Rebe einfach mal sagen würde: „Ich will weg, ich will frei sein, wild aufwachsen und für mich leben! Ich will nicht immer an diesem Weinstock hängen müssen.“
Das geht doch gar nicht, dass eine Rebe so denkt!
Auf der Bildebene werden wir wohl alle zustimmen: eine Rebe - draußen in der Natur - an der Mosel oder der Nahe oder in Württemberg - die macht sich solche Gedanken einfach nicht...
Eine Rebe ist einfach da, fest verbunden mit dem Weinstock - und dann bringst sie Frucht.
Jesus zeigt Abhängigkeiten auf: “Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.”
Doch genau mit diesen Abhängigkeiten tun wir Menschen uns immer wieder schwer. Wir wollen selbstbestimmt und frei sein - das sind doch die Errungenschaften der modernen Menschenrechtsbewegung und der Demokratie. Wir wollen uns nicht gerne abhängig machen – und sind es permanent: von der Meinung der anderen, von den Möglichkeiten unseres Geldbeutels, von den Gegebenheiten unserer Gesellschaft …
“Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht...” - sagt Jesus - und sprengt damit sein eigenes Bild ... denn eine Rebe hat doch gar keine “Wahl” - sie bleibt doch auf jeden Fall am Weinstock - von sich aus. Sie kann durch den Weingärtner vom Weinstock getrennt werden, aber die Rebe löst sich nicht von selbst...
Doch Jesus sagt: “Wer in mir bleibt und ich in ihm...” - ganz ohne moderne Freiheitstheorien hat Jesus geahnt, was der Knackpunkt bei uns Menschen sein wird.
Bei seinem kraftvollen Bild vom Weinstock und der Rebe: Wachstum und Früchte gibt es eben nur, wenn die Rebe am Weinstock ist.
Die Rebe kann ohne den Weinstock nicht sein. Und wie ist das bei uns?
Vielleicht merken wir das immer alles nicht so schnell ... vielleicht geht “Leben ohne eine Beziehung zum lebendigen Gott” sogar in unserer Vorstellung ganz gut.
Doch Jesus wünscht uns die Entdeckung, dass ein Leben in der Beziehung zu ihm uns Kraft schenkt und uns wachsen lässt; er wünscht uns, dass wir ohne ihn gar nicht sein wollen, seine Gemeinschaft suchen und die Gemeinschaft mit den anderen, die zu ihm gehören; er wünscht uns, dass wir glauben können, dass die Verbundenheit mit ihm uns Freiheit schenkt.
Denn in der Beziehung zu ihm erhält das Leben eine Tiefendimension, ein festes Wurzelwerk, das in allem – in Freud und auch in Leid - tragfähig ist.
Und immer wieder neu dürfen wir die Einladung Jesu hören: “Kommt zu mir und bleibt - denn ich bin der Weinstock und ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.”
Eine gesegnete und sonnige Woche wünscht Ihnen
Ihre Pastorin Birgit Hasenberg