EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Zeit für Gott

Gestern Abend hatte ich ein längeres Telefonat mit einem alten Bekannten. Wir kamen von „Hölzken auf Stöcksken“. Wir sprachen über Gott und die Welt.

Dirk Küsgen ist Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Gevelsberg

  

Plötzlich sagte er: „Weißt du eigentlich, dass die Menschen am Bahnhof alle egoistisch sind. Die sehen nur sich selbst.“ Nun sagte ich, das sei keine böse Absicht, die Menschen wären nur konzentriert auf die eine Sache: „Sie wollen den Zug nicht verpassen. Sie sind in Eile. Da nehmen sie den Nachbarn nicht wahr.“ Hätten Sie eine Viertelstunde Zeit zum Umsteigen statt fünf Minuten, dann würden sie die alte Dame sehen, die ihren Koffer die Treppe nicht hochbekommt.“
Mein Bekannter und ich redeten weiter über Gott und die Welt. Wir kamen auf das Gebet zu sprechen. Er sagte, dass Beten habe ihm schon geholfen. Aber er bete nicht regelmäßig, sondern nur wenn er in Not sei. Plötzlich fielen mir die Leute mit dem Tunnelblick auf die Bahnhofsuhr wieder ein. Im Alltag sind wir alle in Hektik. Wir sind auf uns konzentriert. Wir sind auf unsere Aufgaben konzentriert. Wir überse-hen einander ohne Absicht. Wir übersehen auch Gott. Wenn ich meine Antenne nicht ausfahre, ob er mir ein Zeichen gibt, werde ich ihn überhören, wenn er sanft und leise zu mir spricht. Nur selten offenbart er sich nämlich im großen Knall, meist sendet er unauffälligere Zeichen.
Ich gehe noch einmal zurück in Gedanken: Ach hätten die Menschen am Bahnhof doch eine Viertelstunde Zeit zum Umsteigen, sie würden einander wahrnehmen! Ich übertrage das auf Gott. Wenn ich mir eine Viertelstunde am Tag Zeit nähme, oder auch nur dreimal fünf Minuten, würden meine Augen und Ohren am Tag empfangsbereiter sein für Gottes kleine Zeichen. Ich würde ihn nicht übersehen wie die alte Da-me mit dem Koffer am Bahnhof. Und wenn Sie abends nur fünf Minuten zurückblicken, dann entdecken Sie vielleicht auch eine Spur von ihm vom vergangenen Tag. Wenige Minuten am Tag öffnen die Wahr-nehmung für Gott, wenn sie den Tag mit ihm beginnen und abschließen. Und einige gönnen sich auch beim Mittagsgebet eine Oase der Ruhe dazu. Solche Fixpunkte helfen aber auch zu sehen, dass nicht nur die wenigen Minuten, sondern die ganze Tageszeit von Gott durchzogen ist.

Ihr
Pastor Dirk Küsgen