Er traut sich nicht, es zuhause den Eltern zu zeigen und fälscht die Unterschrift von Vater und Mutter. „Schön bunt, sah nicht schlecht aus, ohne zu prahlen! Ich war vielleicht 'ne Niete in Deutsch und Biologie. Dafür konnt' ich schon immer ganz gut malen!“ textet er.
Es kommt wie es kommen musste: Der Betrug fiel auf. Der Rektor holt ihn zu sich, lässt die Eltern kommen und will ein großes Donnerwetter veranstalten. Doch es kommt anders. „Mein Vater nahm das Zeugnis in die Hand und sah mich an und sagte ruhig: ‚Was mich anbetrifft, so gibt es nicht die kleinste Spur eines Zweifels daran: Das ist tatsächlich meine Unterschrift!‘“ Und auch die Mutter sagt, ja, das sei ihr Namenszug, gekritzelt zwar, aber echt.
Eine wirklich anrührende Geschichte von Eltern, die ihr Kind, das zweifellos etwas Falsches getan hatte, nicht im Stich lassen, nicht nach Moral fragen. „Wie gut es tut, zu wissen, dass dir jemand Zuflucht gibt. Ganz gleich, was du auch ausgefressen hast!“, singt Reinhard Mey.
Das kann ich nur jedem Kind wünschen, so etwas zu erleben – und uns Erwachsenen auch. Wie selten kommt das vor, dass jemand unverdient Gnade vor Recht ergehen lässt. Welche Befreiung liegt darin, nicht festgenagelt zu werden auf eigenes Fehlverhalten, die Schuld vergeben zu bekommen! Das verändert einen Menschen, wenn er das erfährt. Reinhard Mey weiß ein Lied davon zu singen.
Wer so handelt, handelt im Sinne Jesu, geht in seinen Spuren. Er hat Andere aufgerichtet, hat sich nicht um die Moral gekümmert und hat sich von Vorurteilen seiner Zeitgenossen nicht beeinflussen lassen. Das Neue Testament ist voll solcher Geschichten. Jesus isst mit Zolleinnehmern und anderen, mit denen keiner zu tun haben will. Und die Menschen verändern sich, weil sie vorbehaltlos angenommen werden.
Nicht allen gefällt, was Jesus tut und sagt. Er muss sich verteidigen. Als die Pharisäer sich bei seinen Jüngern beschweren, dass er schon wieder bei Zolleinnehmern eingekehrt sei, sagt er den Pharisäern: „Ich will dass ihr barmherzig seid. Das ist mir wichtiger, als das ihr irgendwelche Opfer bringt. Seid barmherzig!“
Wer barmherzig ist, darf Barmherzigkeit ernten. Unser Gott sieht mit barmherzigen Augen auf uns. Weil das so ist, können wir Barmerzig sein.
Jesus sagt in der Bergpredigt: „Glückselig sind die Barmherzigen. Denn sie werden barmherzig behandelt werden.“
Ihr
Hans Schmitt
Superintendent