Und musst erleben, dass der einzige Zugang zum Felsendom zugemauert ist. Kein Besuch des muslimischen Heiligtums möglich. Grund der Maßnahme: die angespannte Sicherheitslage; die Sorge um Ausschreitungen zwischen religiösen Fundamentalisten. Kein Wunder, dass das Stadtbild der Jerusalemer Altstadt, die Juden Christen und Muslimen gleichermaßen als „heilig“ gilt, von einem deutlichen Aufkommen schwer bewaffneter Soldaten und Polizisten geprägt war.
Tragisch, oder? Da gilt diese Stadt gleich drei Weltreligionen als „heilig“. Und dann ist ausgerechnet dieses „heilige Jerusalem“ immer wieder von Anschlägen und Gewalt bedroht.
Andererseits: Jerusalem, so geschichtsmächtig diese Stadt auch ist, besteht aus Steinen. Was aber sind Steine gegen Menschen? Auch deren Leben atmet laut Bibel etwas von Heiligkeit. Warum? Weil jeder Mensch Geschöpf Gottes ist, geschaffen nach seinem Bilde, unantastbar in seiner Würde. Das gilt nicht nur für die Erfolgreichen und Topfitten, die einem weit verbreiteten Ideal heutigen Denkens entsprechen. Das gilt gerade auch für Notleidende, Verzweifelte, Flüchtlinge, Demente, Trauernde, Ausgegrenzte … Sie, die in der Gefahr sind, vergessen, an den Rand gedrängt oder offen ausgegrenzt zu werden - sie gehören wie Du und ich in die Mitte unserer Gemeinschaft.
„Heilige“ Stätten verdienen wegen ihrer hohen religiösen und kulturellen Bedeutung zu Recht unsere Wertschätzung. Noch mehr gilt dies aber für Menschen in Grenzsituationen.
Dass wir in unserer Region, in der viele Menschen ein Herz für Flüchtlinge zeigen, auch weiterhin gemeinsam an einem offenen, menschenfreundlichen Klima arbeiten - das wünscht uns allen
Ihr
Michael Nieder, Diakon
Unsere Webandachten erscheinen auch als Sonntagsgedanken in der WAP. Bisher haben nur Evangelische Autorinnen und Autoren ihre Sonntagsgedanken veröffentlicht. Seit kurzem beteiligen sich auch katholische Schwestern und Brüder. Im Zeichen der Ökumene veröffentlichen wir hier gerne den Beitrag von Diakon Nieder, der am letzten Samstag in der WAP erschienen ist.