Und ich höre viel Resignation aus den Worten. Die Menschen trauen den „Unfreundlichen“ kaum Veränderungen zu. Und sie fühlen sich diesem Verhalten ausgeliefert.
Im Mai habe ich eine Gruppe von 17 Konfirmanden konfirmiert. Die Jugendlichen hatten sich ihre Sprüche selber ausgesucht, es gab fast keine Doppelung. Die einzige Ausnahme: Luis, Lukas und Nico hatten dasselbe Bibelwort zu ihrem Konfirmationsspruch gemacht:
„Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem!“ (Röm 12, 21) Unabhängig voneinander hatten sie dieses Wort für sich ausgewählt.
Was bringt die drei dazu, sich mit dem Bösen auseinanderzusetzen, und sich selber eine, wie ich finde, ziemlich schwere Aufgabe vorzunehmen? Erleben sie Mobbing in der Schule oder unangenehme Dinge in den sozialen Medien (Hassausbrüche im Schutz der Anonymität)? Sind auch sie genervt vom Umgangston in unserer Gesellschaft?
Sie wünschen sich aber nicht einfach Schutz vor dem Bösen, sondern sie sehen sich selber in der Rolle desjenigen, der handeln kann. Das macht mir, dem Erwachsenen, Mut. Sie fühlen sich nicht ausgeliefert, sondern sie wollen selber - in guter Weise - auf das Böse der Welt reagieren.
Das ist nicht naiv, denn wir wissen: Gewalt gebiert Gewalt. Dieser Kreislauf kann nur durchbrochen werden mit Liebe. Jesus konnte selbst denen vergeben, die an seinem Tod mitwirkten: „Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Das ist keine Überheblichkeit. Wer am Kreuz hängt, redet nicht arrogant. Dazu fehlen einem die Kraft und die „Puste“.
Die Liebe ist die einzige Antwort zur Veränderung, denn sonst behält der Böse oder das Böse die Oberhand. Ohnmächtig kann ich gegen das Böse anschreien oder schweigen, aber wenn ich Gutes gegen das Böse setzen kann, bin ich der „moralische Sieger“. Ich will damit sagen: Ich bin nicht einfach nur ausgeliefert. Ich bewahre mir eine Lebenseinstellung, die mir das Böse nicht zerstören kann. Und ich bleibe in der Erwartung, dass sich etwas verändert.
Der Dalai Lama tut das auch. Zu dem Konflikt zwischen China und den Tibetern sagt er:
„Trotz allen Leids, das China uns Tibetern seit Jahrzehnten zufügt: Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass die meisten menschlichen Konflikte durch aufrichtigen Dialog, durchgeführt in einem Geist der Offenheit und Versöhnung, gelöst werden können.“
Ich freue mich über den Mut meiner ehemaligen Konfirmanden. Ich freue mich über dieses Selbstvertrauen, mit dem sie sich dem Bösen nicht ausgeliefert fühlen. Sie fühlen sich stark genug, um sich dem Bösen entgegenzustellen. Und sie entscheiden sich, das auch tun zu wollen.
Vielleicht kann das auch Sie ermutigen?
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Woche!
Helmut Kirsch