Die Texte lassen meist einen tieferen Sinn vermuten, ihn aber allzu selten finden. Dann sagte jemand zu mir: "Das ist die neue deutsche Welle". Da entgegnete ich, inzwischen im Mittelalter angekommen, perplex "Die hatten wir doch schon in den 80er Jahren. Damals waren die Lieder aber bewusst sinnlos." "Da-da-da" kam es wie aus der Pistole geschossen. Das war die "neue deutsche Welle". Die neueste deutsche Welle ist also anders und nicht neu. Wie neu ist also "neu"?
Die Frage, ob alles, was sich "neu" nennt, wirklich neu ist, stellt sich öfter. Ist das "Neue" nur recycled und aufgewärmt, oder ist es ganz etwas Neues, etwas Revolutionäres? Ein Zwischending wäre ein Verbesserung des Alten, eine Weiterentwicklung, ein Upgrade, eine Reformation statt einer Restauration auf der einen oder einer Revolution auf der anderen Seite.
Die Frage, wie neu "neu" ist, stellt sich auch im Glauben. Wenn wir sagen "Alles neu macht der Mai", dann meist nur neue grüne Blätter und Blüten damit gemeint. Aber der Stamm des Baumes ist der vom Vorjahr. Das einzelne Blatt ist neu, aber es trägt die Spuren des Alten in sich. Eiche bleibt Eiche, Buche bleibt Buche, Weizen bleibt Weizen. So geht es in der Schöpfung zu, wenn im Frühling alles "neu" erblüht.
Die Schöpfung steht am Anfang. Und was steht am Ende des Zeitstrahls? Gott sagt über die Zukunft "Siehe ich mache alles neu". Wie "neu" ist dann "neu"? Der Auferstandene begegnet den Jüngerinnen und Jüngern in menschlicher Gestalt (also "alt"), wird aber meist nicht sofort wiedererkannt (also "neu"). Der Prophet Jesaja und die Offenbarung schreiben von einem neuen Himmel und einer neuen Erde, sodass man an das Alte nicht mehr denken werde. Das "Hier" und "Jetzt" wird nicht durch eine Verjüngungskur verlängert und verewigt. Das Alte muss trotz moderner Medizin immer noch sterben, um "neu" werden zu können. Aber es wird gesät vergänglich und es wird auferstehen unvergänglich, es wird ein sterblicher Leib gesät und ein unsterblicher Leib wird auferstehen. Der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Klage wird sein (Zitate aus 1. Korinther 15 und Offenbarung 21).
Es gibt einen alten Witz mit Bart, der nicht mehr neu, sondern sogar schon gemeinfrei ist. Zwei Mönche versprechen sich, dass derienige, der zuerst stirbt, dem anderen eine Nachricht zukommen lässt, wie es bei Gott aussehen werde. "Aliter?" (= "anders?"). Die Antwort bestand dann doch aus zwei Worten statt aus einem: " Totaliter aliter!" (= "total anders"). Gottes Neuschöpfung am Ende der Zeit wird kein Upgrade des Alten sein, sie wird revolutionär anders sein. Im auferstandenen Jesus ist der Welt schon der erste Prototyp vor der neuen, total anderen Zeit, begegnet.
Ihr Pastor Dirk Küsgen