EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Der Apfel in Nachbars Garten

Ein alter Witz:

In einem Garten werden immerzu Äpfel vom Baum gestohlen. Der Besitzer stellt ein Schild auf: „Der liebe Gott sieht alles.“ Am nächsten Tag fehlen wieder ein paar Äpfel und auf dem Schild steht: „Ja, aber er verpetzt mich nicht.“

 

Helmut Kirsch ist Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Gevelsberg

  

 

Da es ein Witz ist, gönnt man dem pfiffigen Dieb seine Beute. Und gleichzeitig gönnt man dem Besitzer, der die moralische Keule geschwungen hat, seine Niederlage. Die Sache sieht anders aus, wenn man selber derjenige ist, der den Apfelbaum im Garten stehen hat. Was würden Sie tun, um ihre Äpfel zu schützen, um selber die Ernte von Ihrem Baum einzufahren?

  

Früher hat man Gott als moralische Instanz benutzt; Gott als Zuchtmittel für den unerzogenen Untertanen. Indem sich die Menschen von diesem Unterdrückungsinstrument befreit haben, ging auch viel vom „lebendigen Gegenüber“ verloren. Man hat das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.

   

Aber es ist noch mehr verlorengegangen: Es ist schwer, sich ethisch gut zu verhalten, wenn man nur für sich selbst verantwortlich ist. Und was die anderen Menschen denken … Wenn ich nicht erwischt werde, ist doch alles in Ordnung, oder?

  

Zwei Erlebnisse aus den letzten Tagen.

Im Konficamp: Einige Kinder beziehen nicht ihr Bett. Das macht nämlich Arbeit. Sie selber gehen davon aus, dass die Bettbenutzer vor ihnen fleißiger waren als sie selber – die Betten sehen sauber aus. Und wenn andere nach ihnen dieses Bett benutzen, das stört sie selber nicht.

In unserer Straße: Ein rotbackiger Apfel am Baum neben dem Gehsteig lacht die Passanten an. Ein ca. zwölfjähriges Mädchen bleibt stehen und greift zu. Erst, nachdem sie den Apfel gepflückt hat, sieht sie die Besitzerin des Apfelbaums, die durch das Fenster zugesehen hat.

   

Noch einmal meine Frage vom Anfang: Wie ginge es Ihnen, wäre es Ihr eigener Apfelbaum? Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie in einem Bett schlafen sollen, in dem vorher Kinder ohne Bettwäsche, vielleicht noch in ihrer Tageskleidung geschlafen haben?

   

Ich möchte „Gott“ nicht als schlechtes Erziehungsmittel haben; da wäre er für mich auf der gleichen Stufe wie der „schwarze Mann im Keller“. Wenn aber mehr Menschen sich verantwortlich fühlten vor Gott als einem Gegenüber, dem sie Rechenschaft ablegen über ihr ganzes Tun, dann würden die Gesellschaften dieser Welt anders aussehen.

Der Mensch, der sich von Gott ernst genommen fühlt, der nimmt auch sich selber ernst in seinem eigenen Verhalten. Den schmerzen seine eigenen Fehler und er will sie vermeiden. Und das wiederum dient einem gerechteren und besseren Miteinander aller Menschen.

   

Ich wünsche Ihnen und mir selber viele Mitmenschen, die sich verantwortlich verhalten! Ich wünsche Ihnen Menschen, die so leben, wie ich selber es mir wünsche! Ich wünsche mir Menschen, die in Verantwortung vor Gott leben!

   

Ihr Pfarrer Helmut Kirsch