Definieren wir uns nicht über das, was wir gut machen, unseren Beruf, unsere Hobbies, unser Ehrenamt? Und so werden wir doch auch wahrgenommen und wertgeschätzt. Darauf können wir stolz sein. Der volle Terminkalender zeigt, wie wichtig wir sind. Wir werden gebraucht und tragen Verantwortung.
Als ich mich nach Jahren der ehrenamtlichen Mitarbeit in einem kirchlichen Ausschuss verabschiedete, wurde mir beim Dank zum Abschied auch ein Segenswunsch mitgegeben: „Gott segne dein Tun und Lassen. “
Über diesen Satz habe ich seitdem immer wieder nachgedacht. Dass Gott mein Tun segnen möge, war ja ein vertrauter Gedanke. Was gesegnet ist, bringt Gutes und Heilsames mit. Aber dass Gott auch das Lassen segnen sollte – das war mir noch nicht in den Sinn gekommen.
Wie geht es Ihnen mit dem Lassen? Schon das Wort ist in unserer Sprache ein facettenreicher Begriff, wenn wir es durch Vorsilben verändern.
Da gibt es das Weglassen: Weniger ist mehr. Lass doch weg, was zuviel ist. Lass es doch gut sein!
Oder das Überlassen: Ich halte etwas nicht mehr verbissen fest, sondern überlasse es einem anderen, gebe es weiter.
Oder das Zulassen: Ich lasse es zu, dass mir jemand das Heft aus der Hand nimmt, dass ich nicht mehr selbst kämpfe und mich an den Rand stelle.
Oder das Loslassen: Alles ist mir nur auf Zeit anvertraut. Ich kann nichts für immer festhalten, keinen Besitz, keine Menschen, keine Fähigkeiten, keine Ämter.
Es gibt so viele Möglichkeiten des Lassens!
Aber warum ist das Lassen so schwer? Weil das Tun so viel mehr gilt? Weil das Lassen aussehen kann wie ein Eingeständnis von Schwäche?
Wenn uns alles zuviel wird oder wir vieles einfach nicht mehr können und lassen müssen – was kann da noch gesegnet sein?
Ich nehme die Bibel zur Hand.
Alles hat seine Zeit, sagt der kluge Schreiber im Buch des Predigers Salomo: Abbrechen und bauen hat seine Zeit, behalten und wegwerfen, suchen und verlieren und wir könnten anfügen: Tun und lassen hat seine Zeit.
Aber wie weiß ich, was für mich gerade dran ist?
Wenn uns diese Entscheidung abgenommen wird, z.B. durch eine ernste Krankheit oder durch einen Unfall, wenn einfach nichts mehr geht, dann ist das schwer zu akzeptieren. Lassen tut weh. Oder wenn, wie jetzt, eine Viruspandemie überall zu spürbaren Einschränkungen führt. Da ist es klar, dass vieles zu lassen ist und wir beklagen miteinander, was uns jetzt fehlt.
Doch auch, wenn ich selbst entscheiden kann, ob es weitergehen soll mit den vielen Verpflichtungen und dem vollen Programm, ob es mir und anderen noch gut tut, fällt das nicht leicht.
Es ist gut, wenn ich zur Ruhe komme, dann kann ich zuhören. Auf Gott hören. Ich lese im 131. Psalm:
Auf dich, Herr, verlasse ich mich und spreche: Du bist mein Gott. Meine Zeit steht in deinen Händen.
Das heißt doch: Meine Lebenszeit ist geschenkte Zeit. Und wenn ich sie vertrauensvoll aus Gottes Hand nehme, ist sie gesegnete Zeit.
Dass ich vieles tun kann, ist ein Geschenk. Aber es ist auch ein Geschenk, Dinge lassen zu können. Das ist befreiend, schenkt einen neuen Blick. Und sogar dann, wenn uns äußerer Zwang in unseren Möglichkeiten beschränkt, kann daraus neue Kreativität und Einsicht wachsen. Das zeigt uns der Coronasommer.
Ich wünsche uns das Tun zur rechten Zeit, das tatkräftige Zupacken und die Übernahme von Verantwortung.
Ich wünsche uns den Mut zum Loslassen zur rechten Zeit, wenn das Aufhören ansteht oder eine Pause zur neuen Orientierung.
Und ich wünsche uns, dass sich neue Perspektiven öffnen, auch wenn uns Grenzen gesetzt werden.
Möge Gott unser Tun und unser Lassen segnen!
Maria Magdalena Weber