EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Verantwortlich vor wem?

Ein alter Witz begeistert mich für den „lieben Gott“:

In einem Garten wird immer wieder Obst gestohlen. Der Täter wird nicht erwischt. Da stellt der ärgerliche Gartenbesitzer ein Schild vor den Bäumen auf: „Der liebe Gott sieht alles!“

Am nächsten Tag fehlt wieder Obst, und auf dem Schild steht: „… aber er verpetzt mich nicht.“

 

Helmut Kirsch ist Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Gevelsberg

  

 

Und für diese pfiffige Antwort des Obstdiebes verzeiht man ihm fast schon den Diebstahl.

Prima, ein wirklich liebevoller Gott! Wie wird es aber aussehen, wenn der Dieb aus der Welt gehen wird: Wird er vor „Gottes Thron“ stehen? Wird er Rechenschaft ablegen müssen für sein Leben?

Ist dieser Gedanke nach einem solchen Witz viel zu abwegig? Ist die Vorstellung eines richtenden Gottes in unserer Zeit bedeutungslos geworden?

  

Die Zeitung ist jeden Tag prall gefüllt mit Nachrichten, die den meisten Menschen wahrscheinlich keine Freude machen. Fast jeden Tag ein Bericht über Fahrerflucht.

Dann staunen Polizisten darüber, wie hemmungslos Gaffer ihre Arbeit behindern und wie Fotos von schwer verletzten Menschen gemacht werden. Wenn die Feuerwehr einen Einsatz hat und die Straße sperren muss, räumen empörte Bürger die Sperren weg und pöbeln die Feuerwehrleute im Dienst an.

Im Radio hieß es neulich, der Trieb des Deutschen, auf nicht ehrliche Weise Steuern zu sparen, sei stärker ausgeprägt als sein Sexualtrieb.

Gewalt gegen Schiedsrichter und Kontrolleure, Pöbeleien gegen Polizisten und Grobheiten im Straßenverkehr sind alltäglich geworden.

Und das Eigentum des anderen wird schon lange nicht mehr als unantastbar angesehen, vom Mitnehmen dessen, was ein anderer liegenlässt, über Ladendiebstahl bis zum Wohnungseinbruch.

Da muss man doch fragen: „Wo bleibt denn da der Anstand? Haben die denn kein Gewissen?“ Es funktioniert das Meiste anscheinend nur auf der Grundlage von Erwischt- und Bestraft-Werden. („Blitzmarathon“)

  

Wem gegenüber bin ich verantwortlich? Wenn ich den „lieben“ Gott wegdenke, wenn ich auch den „gerechten“ Gott auch nicht mehr im Bewusstsein habe: Vor wem sollte ich mich denn rechtfertigen?

   

Viele Menschen unterliegen einem Missverständnis der Gebote: ‚Gott will allen Spaß verderben.‘ Dabei hat Gott Ordnungen geschaffen, damit das Miteinander der Menschen gut geregelt ist.

Diesen „Spaßverderber“ wollte man nicht, da hat man mit ihm auch die Instanz entsorgt, vor der man sich rechtfertigen kann – und soll. Woher bekommen wir jetzt die Maßstäbe, um ein gutes Gewissen zu bekommen? Wenn die Menschen sich selber zurechtbasteln, was geht oder nicht, dann sieht es eben so aus, wie es uns die Zeitung jeden Tag dokumentiert.

   

Gott verpetzt nicht und er bestraft auch nicht sofort. Ich sehe es für mich so: Wenn ich mit ihm über mein Leben nachdenke, dann will ich das mit gutem Gewissen tun.

   

Dieses gute Gewissen wünsche ich Ihnen auch!

Ihr Pfarrer Helmut Kirsch