Hat das Kind erst einmal begriffen, dass der Löwe, der es anbrüllt, in Wirklichkeit zahnlos ist, dann hat der Löwe schlechte Karten. Am Ende spielt das Kind mit ihm, weil er sich so schön ärgert, wenn man ihn reizt. Konsequenz erfordert Kraft, Widerstände zu überwinden statt sie zu ignorieren. Durch das Provozieren macht das Kind nicht mehr, als statt des ständigen Ausweichens eine Beziehung einzufordern. Haben die Eltern nach einem langen Tag noch die Energie, die Konfrontation durchzustehen? Darauf kann das Kind keine Rücksicht nehmen, wenn es die Beziehung braucht.
Wie immer kommt jetzt die Frage: Wie bekomme ich von hier aus wieder die Kurve zu Gott? Ich bin Pastor und nicht Pädagoge oder Psychologe. Ich betrachte nun die scheinbare Inkonsequenz Gottes. Kapitel 3 im ersten Buch der Bibel: Für den Fall, dass der Mensch von der giftigen Frucht im Garten isst, kündigt Gott dem Menschen den Tod an. Der Mensch wird auch aus dem Paradies vertrieben, aber der Tod folgt viel später, erst auf der Erde, Dies gilt unter Pädagogen als Fehler. Je jünger die Kinder sind, desto zeitnäher muss die Konsequenz erfolgen. Aber das Beste ist: Durch die Verzögerung multipliziert sich das Problem noch. Die Bösewichte bekommen auf Erden auch noch Kinder und im Kinderzimmer herrscht Mord und Totschlag (Kapitel 4). Zweiter Versuch (Kapitel 6): Die Sintflut. Erst tut es Gott leid, dass er den Menschen geschaffen hat. Aber schon während der Sintflut tut ihm die Welt schon wieder leid und er verspricht, sie nie wieder zerstören zu wollen (Kapitel 8). Wenn sie so wollen, geht die Menschheit sogar gestärkt und als Gewinner aus der Krise hervor. Es folgt die endlose Liebesgeschichte mit seinem Volk Israel. Immer wenn das Volk untreu wird, verlässt er die Geliebte und kehrt sofort zurück, wenn sie Reue zeigt. Der dramaturgische Höhepunkt folgt am Kreuz. Erneut stirbt "der Mensch" ("Ecce homo"/"Siehe der Mensch") und doch nicht für immer. Erneut geht der Mensch aus der selbst angezettelten Krise gestärkt hervor: Durch das ewige Leben. Dieses fortgesetzte Paradox verstehe, wer will! Das Verhalten Gottes ist weniger zu verstehen als nachzufühlen. In seiner Inkonsequenz ist Gott sehr konsequent. Sie ist also ein Wesenszug an ihm, der stärker zu sein scheint als sein gelegentlicher Zorn und seiner Strenge.
Warum handelt Gott so konsequent inkonsequent? Wenn wir uns in einer Beziehung so viel gefallen lassen, dann ist das Motiv, wenn es nicht Resignation oder verbrauchte Kraft ist, doch die Liebe, die letztlich langfristiger angelegt ist als unser vorübergehender Zorn. Sowohl die strenge, als auch die gütige Seite Gottes stecken beide im Symbol "Vater". Und immer gewinnt am Ende die gütige Seite. Gott sei Dank lässt er immer Gnade vor Recht ergehen. Dieses Phänomen hat übrigens in ganz klassisch kirchlicher Wortwahl Namen.. Seine permanente Nachgiebigkeit heißt "Barmherzigkeit" und deren Resultat ist die "Gnade, aus der wir leben".
Ihr Pastor Dirk Küsgen