Der erste Gedanke war: Was wohl der Amtsbruder machen wird? Denn so eng war der Verwandtschaftsgrad nicht.
Die ersten Beobachtungen „ der macht aber große Gesten“, „der spricht gut verständlich“ wurden vollkommen unwichtig, als seine Ansprache begann.
Der Verstorbene war ein Mensch, der in seinem Leben einiges falsch gemacht hat. Auch große Fehler hat er gemacht. Dieser Mann war sich dessen bewusst, dass er Schuld auf sich geladen hat. In vielen Gesprächen vor seinem Tod hat er das mit den ihm vertrauten Menschen besprochen. Und er hat darum gebeten, dass in der Trauerfeier deutlich gesagt würde, dass er um seine Schuld gewusst hat. Und: Er wollte alle Menschen darum bitten, ihm zu vergeben.
Er hat sich fest darauf verlassen, dass Gott ihm seine Schuld vergeben würde. Sein Leben lang hat er auf darauf gebaut, dass Gott ihm verzeiht. Darüber hinaus aber wollte er eine Brücke schlagen zu den Menschen, die ihn überleben. Schon in vielen Abschiedsgesprächen hat er den Frieden gesucht mit den Menschen, die unter ihm gelitten hatten. Und viel an Vergebung hat er bereits als noch Lebender erfahren.
Es war gut, diese Feier zu erleben. Nicht ein einziges Detail seiner Verfehlungen wurde beim Namen genannt. Es ging nicht um Bloßstellung, es ging um Versöhnung.
So war es keine Ansprache mit Lobhudelei. Es wurden Worte der Anerkennung gesprochen für das, was er ohne jeden Zweifel geleistet hat. Und zugleich wurde nichts beschönigt. Es war ein ehrliches Abschiednehmen.
Beim anschließenden Kaffeetrinken gab es keine bösen Worte, obwohl es zu seinen Lebzeiten zu Entzweiungen gekommen war. Ich habe selten ein so entspanntes, fast fröhliches Miteinander erlebt wie im Anschluss an diese Beerdigung.
Die Botschaft der Versöhnung mit aller Ehrlichkeit hatte alle Menschen erreicht.
Ich wünsche Ihnen solche guten Erfahrungen!
Ihr Pfarrer Helmut Kirsch