EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Auf die Suche nach dem Eigentlichen machen

Liebe Leserin, lieber Leser!

 

 

Haben Sie gerade eine Apfelsine zur Hand? Ich finde, Apfelsinen können so etwas wie ein Bild für die Botschaft der Adventszeit sein.

Anke Lublewski-Zienau ist Seelsorgerin an der Klinik Königsfeld

  

Von außen ist solch eine Apfelsine wunderschön. Sie ist rund, die Form der Vollkommenheit, und sie leuchtet orange. Sie scheint mich geradezu aufzufordern: Genieß mich! Vieles um mich her finde ich in der Adventszeit ähnlich verlockend. Da gibt es Lichterglanz und Tannengrün, Posaunenklänge, Stollen und Glühwein. All das leuchtet und lockt wie die Apfelsine. Aber so, wie eine Apfelsine vor einem liegt, kann man im Grunde gar nichts mit ihr anfangen. Ihre Schale ist ungenießbar. Erst wenn ich sie schäle, dann gelange ich zum Eigentlichen: zum Fruchtfleisch. Mit der Adventszeit ist es ähnlich: all die Lichter, die Musik und die Leckereien sind nur die Schale, die das Eigentliche noch verborgen hält. Wenn wir uns in der Adventszeit auf die Suche nach dem Eigentlichen machen, dann können wir hinter den Äußerlichkeiten eine wichtige Botschaft entdecken: Gott kommt in diese Welt. Er kommt klein und verletzlich, was uns zeigt, dass er nicht vor Schwäche und Hilflosigkeit zurückschreckt. Dadurch ist er gerade denen nah, auf deren Seele ein Schatten gefallen ist. Gott erscheint, um uns spüren zu lassen, dass er auf unserer Seite steht. In der Zuwendung und Liebe unter den Menschen können wir ihn entdecken. Eine wunderschöne Apfelsinengeschichte aus der Zeit von Oliver Twist erzählt davon: Ein kleiner Junge hatte im Sommer versucht, aus dem Waisenhaus, in dem er lebte, wegzulaufen. Dafür wurde er zu Weihnachten bestraft. Es gab immer als einziges Geschenk eine Apfelsine. Und die bekam er in diesem Jahr nicht. Als einziger. Er musste den Weihnachtstag ganz allein im Schlafsaal verbringen, wo er sich ins Bett legte und weinte. Bis einer der anderen Jungen vor seinem Bett stand und ihm eine Apfelsine hin hielt. Er wusste nicht, wie ihm geschah. Wo sollte die überzählige Apfelsine her sein? Er sah abwechselnd auf den Jungen und auf die Frucht und fühlte dumpf, dass es mit der Apfelsine eine besondere Bewandtnis hatte. Und so war es auch: zehn Jungen hatten beschlossen, dass auch er zu Weihnachten eine Apfelsine haben soll. So hatte jeder seine geschält und eine Scheibe abgetrennt. Aus den zehn Scheiben hatten sie dann eine neue Apfelsine zusammengesetzt. Sie war das schönste Weihnachtsgeschenk in seinem Leben, das ihn spüren ließ, wie tröstlich echte Freundschaft sein kann.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Advent.

Ihre

 

Pfarrerin Anke Lublewski-Zienau,

Seelsorgerin an der Klinik Königsfeld

Gottesdienst: Sonntag 9:00 Uhr in der Aula der Klinik