EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Ja-Wort im Autokino

Julia (31) und Aaron Bellingrath, geborener Liphardt (32) haben sich im Autokino Gevelsberg das Ja-Wort gegeben.

 

Von Carmen Möller-Sendler

Julia und AAron Bellingrath beschließend auf der Bühne des Gevelsberger Autokinos den Bund fürs Leben. Foto: NIcole Melzer

„Liebe Julia! Ich will dich ehren, will dich stärken, will dich stützen, will dich schützen. Denn ich will dich!“ Man braucht schon etwas Mut, wenn man gerade die Rede seines Lebens hält und weiß, dass man dabei auf einer 70 Quadratmeter-Leinwand zu sehen ist, per Youtube-Livestream im Netz übertragen und von einigen hundert Augen beobachtet wird. Erst recht, wenn man beim Eheversprechen selbst ein Tränchen verdrücken muss. Doch der Bräutigam wird reich belohnt: Die 69 Autos auf dem Parkplatz vor ihm brechen in ein begeistertes Hupkonzert aus, und ihre Scheinwerfer leuchten um die Wette mit den strahlenden Augen der Braut.

  

Es ist Samstagabend im Gevelsberger Autokino: Eine Blechlawine am Einlass, dabei gibt es heute gar keinen Film zu sehen, und die Veranstaltung steht auch nicht im offiziellen Programm. Denn für die erste und einzige Gevelsberger Autokino-Hochzeit muss man schon eine Einladung bekommen haben. Die Idee zu dieser Feier hatten Julia (31) und Aaron Bellingrath, geborener Liphardt (32), als sie sich im Juni auf dem Open-Air-Gelände einen Kinofilm ansahen. Denn ihnen ging es wie vielen Brautpaaren in diesem Sommer: Die Hochzeit war von langer Hand geplant, und dann machte ihnen Corona einen Strich durch die Rechnung. In diesem Fall hatten die Brautleute sogar einen besonders ungewöhnlichen Plan ausgeheckt: Nachdem schon die standesamtliche Trauung in Bergmannskluft und unter Tage in der Wittener Zeche Nachtigall stattgefunden hatte, wollten die zwei, die sich bei der Jugendarbeit für den Kirchenkreis Schwelm kennengelernt haben, die kirchliche Hochzeit in Form einer Jugendfreizeit organisieren. Mit Workshops, Spielen, Sportwettkämpfen, Lagerfeuer. Stattfinden sollte das Ganze in Haus Friede, einem christlichen Tagungshaus in Hattingen, wo die Braut stellvertretende Hauswirtschaftsleiterin ist. Undenkbar, in Zeiten von Corona. Aber eine Autokino-Hochzeit, bei der man die Abstands- und Hygieneregeln einhalten kann? Kino-Leiter Klaus Fiukowski fand die Idee ebenfalls klasse und besorgte sich sofort die nötigen Genehmigungen. Anmelden mussten sich die Gäste genauso wie auch fürs Kino über die Homepage. Es gibt eine Bühne, auf der die Veranstaltung stattfindet, und direkt daneben die 70 Quadratmeter große Leinwand, auf die alles übertragen wird. Weil es dafür dunkel sein muss, geht es auch erst um halb zehn los. Im Vorfeld haben die Brautleute schon mit einer kleinen Gruppe Gäste in Haus Friede auf Abstand zu Abend gegessen, jetzt zieht Julia sich um und hat Aaron, der ihr Kleid noch nicht gesehen hat, schon mal vorgeschickt nach Gevelsberg.

  

Dort stehen nun 69 Autos auf dem Platz: Alle, die ursprünglich zur Feier eingeladen waren, sind gekommen. Manche der Gäste haben ihr Vehikel stimmungsvoll mit Lichterketten illuminiert, und alle sind sie bestens ausgestattet: Bei der Einfahrt gab es pro angemeldetem Wagen eine Hochzeitstüte mit Popcorn, Seifenblasen, Nervennahrung – und Taschentüchern für Tränen der Rührung. Die werden auch gleich noch gebraucht. Aber erst mal wärmt Bräutigam Aaron die Gäste auf. Er kann das, er ist Lehrer für Mathe und Philosophie und hat die letzten Wochen damit verbracht, ein witziges Video über sich und seine Liebste zu drehen. Sein Publikum dankt es ihm mit Hupen und Aufblenden. „Für mich war es ein magischer Moment, als die Autos das erste Mal angefangen haben zu hupen“, erinnert er sich später. „Man sieht zwar von der Bühne aus die Reihen, aber man erkennt ja niemanden hinter den Scheiben. Und plötzlich merkt man: Die sind ja wirklich alle da!“

  

Währenddessen läuft Kameramann Carsten Sahm filmend durch die Parkreihen, auf der Leinwand sind winkende Gäste und geschmückte Autos in Echtzeit zu sehen. So kriegen alle mit, was anderswo auf dem Platz passiert – aussteigen und herumlaufen soll man ja eigentlich nicht. Dann der Klassiker: Die Braut hat die Ringe vergessen, ist noch mal umgekehrt nach Hattingen. Das dauert. Endlich hält Aaron dem Kameramann sein Handy hin, und eine Sekunde später wissen auch die Hochzeitsgäste Bescheid: „Bin unterwegs. Ihr könnt in fünf Minuten loslegen!“ ist groß auf der Leinwand zu lesen. Die Braut fährt im Oldtimer vor, und als sie von Vater Klaus auf die Bühne gebracht wird, verschlägt es dem sonst nie um eine Antwort verlegenen Bräutigam die Sprache. Die Kamera überträgt alles in Großaufnahme.

   

Den Gottesdienst selbst hat das Team der Jungen Kirche im Kirchenkreis Schwelm vorbereitet, zu dem auch die Brautleute gehören. Sogar eine Band haben sie zusammengestellt, die Worship-Songs einstudiert hat, und beim Hillsong „Oceans“ schwenken alle ihre Handys. Ein Highlight des Gottesdienstes, wie die Braut später sagen wird. „Das sah so gut aus, wie alle ihre Lichter aus den Autos gehalten haben.“ Die Kamera zeigt lachende Gesichter in den Autos, als Jugendpfarrer Daniel Cham Jung noch einmal Revue passieren lässt, was alles passieren musste, damit aus den beiden, von denen jedem klar war, dass sie füreinander gemacht sind, endlich ein Paar wurde. 2012 haben sie sich bei der Jugendarbeit kennen gelernt, sind zur EKvW-Jugendkonferenz gefahren, im Seilgarten geklettert und auf Freizeiten gefahren – aber bis es auch bei Julia funkte, hat es gedauert. 

  

Und jetzt wird es ernst. „Euer Bund ist heilig“, sagt Daniel Cham Jung, und dass die Welt mehr und bessere Ehen braucht. Und er fragt nicht nur die Brautleute, ob sie einander wollen, sondern auch das Publikum: „Wollt Ihr als Familie, Verwandte und Freunde Julie und Aaron als Eheleute achten und ehren und ihnen auf ihrem Weg zur Seite stehen, so antwortet: „Ja, ich will.“ „Ja, ich will!“ schallt es aus 69 Autos, und dann sind Julia und Aaron auch vor Gott verheiratet.

  

Jetzt darf gratuliert werden – wenigstens auf Abstand: Begleitet vom Kameramann und Blumen streuenden Mädchen machen sich die zwei sozusagen zum Auszug auf den Weg durch die Autoreihen und können so wenigstens jeden und jede noch einmal persönlich sehen. Alle anderen über die Leinwand natürlich auch. „Für uns war das so perfekt“, sind die beiden sich einig. „Wir haben mit allen gefeiert, die wir dabeihaben wollten. Und für später ist es einfach eine tolle Erinnerung.“

   

Das Autokino in Gevelsberg:
Für das Gevelsberger Sommerkino, das aus Pandemie-Gründen entstand, haben sich der örtliche Energieversorger AVU und das im Ennepe-Ruhr-Kreis sehr beliebte Programmkino „filmriss“ zusammengetan: Die AVU stellte den Parkplatz hinter ihrem Verwaltungsgebäude zur Verfügung, das zum Glück in einer wenig bewohnten Gegend liegt. Und „filmriss“-Betreiber Klaus Fiukowski, der mit seinem Team öfter mobile Aktionen organisiert, stellte dort eine aufblasbare Riesen-Leinwand samt der erforderlichen Technik auf. Die Anmeldungen erfolgen autoweise über die Homepage, selbst die Einlasskontrollen funktionieren kontaktfrei per QR-Code-Scan. Gezeigt werden die Programmkino-Filme des Sommers, es gab Kinderkino und Kindertheater, ein Konzert mit der lokalen Band „The O’Reillys and the Paddyhats“ und eine Veranstaltung mit Joey Kelly. Die Hochzeit von Julia und Aaron war die erste und wird die einzige bleiben, denn das Autokino schließt Ende August.    

   

Die Junge Kirche im Kirchenkreis Schwelm:
Unter dem Motto „Connect" veranstaltet das Team der Jungen Kirche, zu der auch Julia und Aaron Bellingrath gehören, mit Pfarrer Daniel Cham Jung und Gemeindepädagogin Kerstin Becker unter anderem sonntagabends den #diggo, einen digitalen Gottesdienst: instagram.com/connect.here . Daran nehmen junge Erwachsene aus ganz unterschiedlichen Orten und Kontexten teil – kürzlich sogar jemand, der coronabedingt in Neuseeland festsaß. Weitere Angebote sind die Game Night, der Themenabend „Connect & Talk“ - und dann gibt es noch den digitalen Kochabend, bei dem alle einzeln kochen und essen, aber trotzdem zusammen sind.
Mehr Info demnächst auf www.connect.here