EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Fair geht vor - Auch beim Kauf von Grabsteinen auf die Herkunft achten

Von Nicole Schneidmüller-Gaiser

 

„Wir möchten mit unserer Art zu leben niemandem Schaden zufügen.“ Ein Satz von schlichter Wahrheit, ein Appell, der sich aber im Alltag oft gar nicht so einfach umsetzen lässt. Dietrich Weinbrenner, Pfarrer im Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung, kurz MÖWe, ist ein freundlicher, vor allem aber ein hartnäckiger Mann. Wenn er auf den Synoden im Gestaltungsraum auftaucht, weiß man: Was jetzt kommt, ist wichtig – und doch ist es manchmal anstrengend, es zu hören. Denn dass man den fair gehandelten Produkten den Vorrang geben soll – wer würde das nicht unterstützen. Und dann steht man doch wieder beim Discounter, kauft Sportkleidung, die in Indien genäht wurde und nimmt das Auto statt den Bus. Und jetzt auch noch Grabsteine…

 

Steinbruch in Indien: Hier leisten Kinder Schwerstarbeit, um ihre Familien zu ernähren. Foto: Benjamin Pütter / Misereor.

 

 

„Ich bin sozusagen ein professioneller Mahner“, weiß Dietrich Weinbrenner und lacht. „Aber ich predige mir das alles ja auch immer selber – denn für mich ist die Umsetzung der guten Vorsätze so schwer wie für jeden anderen.“

  

Das Thema Grabsteine, mit dem Weinbrenner seit den Herbstsynoden durch den Gestaltungsraum reist, ist auf den ersten Blick ungewöhnlich. Bei Kaffee und Tee, vielleicht auch bei Kleidung aus der Dritten Welt denkt der verantwortungsbewusste Konsument auch an Fair Trade. Fair gehandelt, umweltschonend produziert und zu fairen Bedingungen auch für die Arbeiter hergestellt. Doch bei Steinen? „Heute werden Steinprodukte in großen Mengen aus Indien, China oder auch Vietnam importiert“, erklärt der MÖWe-Pfarrer. Oft genug sind es Kinder, die unter unzumutbaren Bedingungen diese körperlich schwere, gefährliche Arbeit zu einem Hungerlohn leisten. „Sie zahlen mit ihrer Zukunft, ihrer Gesundheit und manchmal sogar mit ihrem Leben für billige Steine in Deutschland.“ Und auch für die erwachsenen Arbeiter gibt es keinen Arbeitsschutz und selten faire Löhne.

  

„Früher wurden Steine für den Straßenbau, für Häuser und Gärten oder eben auch für Gräber meist in den örtlichen Steinbrüchen geschlagen“, weiß Weinbrenner. Der für unsere Region so typische Ruhrsandstein wird auch heute noch verwendet. Doch er hat Konkurrenz aus Fernost bekommen, die mit einer Vielzahl von Farben und Formen, vor allem mit günstigen Preisen lockt.

  

„Bereits vor zwei Jahren haben die Synoden in Hagen, Schwelm und Hattingen-Witten beschlossen, dass wir in unseren Gemeinden auf die Problematik hinweisen wollen“, erinnert Dietrich Weinbrenner. Dazu brauchen die Kirchengemeinden Unterstützung – denn wenn sie darauf hinwirken sollen, dass auf die Verwendung solcher Steine verzichtet wird, braucht es nicht nur eine Änderung der Friedhofsordnung, sondern zuallererst Aufklärung und Information. „Darum haben wir eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aller drei Kirchenkreise gegründet, dem sich dann auch noch der Gestaltungsraum Dortmund und Lünen angeschlossen hat.“

  

Gemeinsam sucht man nun das Gespräch mit Bestattern und Steinmetzen und hat einen Flyer erarbeitet (den man hier als PDF-Datei herunterladen kann), der zeigen will, was jeder einzelne tun kann. „Wohl niemand will einen Stein für das Grab seiner Verstorbenen, der unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen geschlagen wurde“, ist Dietrich Weinbrenner sicher. Doch bei importierten Produkten könne der Kunde derzeit nie sicher sein, ob z.B. Kinderhände bei der Produktion beteiligt waren. „Siegel könnten Orientierung schaffen“, so die Überzeugung der Arbeitsgruppe, denen sich übrigens auch die katholischen Dekanate Hagen-Witten, Hattingen-Schwelm und Dortmund sowie zahlreiche Kommunen und Initiativen als Kooperationspartner angeschlossen haben. „Im Moment bemühen sich verschiedene Initiativen darum, ein europaweit gültiges Siegel zu erarbeiten, das Arbeitsrechtsverletzungen und Kinderarbeit bei der Produktion von Steinen ausschließt“, so Dietrich Weinbrenner. Doch bis dahin sei es noch ein weiter Weg.

  

Entmutigen lässt sich Pfarrer Weinbrenner davon nicht: „Jeder Einzelne kann etwas beitragen – selbst wenn man die großen Veränderungen nicht immer sofort sieht.“ Darum werden die 20.000 Flyer, die in der Erstauflage gedruckt wurden, ab sofort in Kirchengemeinden, Friedhofsämtern und an kommunalen Stellen verteilt, damit die Angehörigen von Verstorbenen diesen Gedanken beim Grabsteinkauf einbeziehen können. Steine aus der Region oder aus deutschen Steinbrüchen sind attraktiv und garantiert fair produziert. Und das gute Gefühl, dass man durch seinen bewussten Kauf langfristig etwas am System ändern kann – das ist unbezahlbar. Dietrich Weinbrenner: „Das gilt beim Kauf von Kaffee und Kleidung – aber eben auch beim Grabstein.“