EvangelischeEv. Kirche in Ennepetal, Gevelsberg, Haßlinghausen, und Schwelm

Vom Autodidakten zum Kirchenmusikdirektor

KMD Gerhardt Marquardt geht nach 43 Jahren als Kantor an der Erlöserkirche Gevelsberg am 1. September 2020 in Rente.

KMD Gerhardt Marquardt geht nach 43 Jahren als Kantor an der Erlöserkirche Gevelsberg am 1. September 2020 in Rente. (Foto: Sophia Marquardt)

50 Jahre lang hat Gerhardt Marquardt zu Weihnachten an der Orgel gesessen.

Gerhardt Marquardt hatte sich seine letzten Wochen und Monate im Dienst anders vorgestellt. „Die Aufführung des ELIAS von Felix Mendelssohn-Bartholdy war eigentlich als Abschluss meiner Konzertarbeit gedacht“, erzählt Marquardt. Das Oratorium für Solostimmen, Chor und Orchester, das am Sonntag, 14. Juni 2020 um 18:00 Uhr in der Erlöserkirche Gevelsberg (Elberfelder Str. 16) stattfinden sollte, wurde wie viele andere Veranstaltungen aufgrund der Corina-Pandemie abgesagt.

Umso mehr hofft Marquardt, dass der diesjährige Orgelherbst vom 13. bis 27. September stattfinden kann. Auch wenn er dann schon im Ruhestand ist, wird Gerhardt Marquardt als Koordinator und Organisator sowie als Künstler den mittlerweile 13. Orgelherbst maßgeblich mitgestalten. „Der Orgelherbst ist schon etwas Besonderes“, erklärt Marquardt.  Schließlich sei es nicht nur eine kirchenkreisweite Veranstaltungsreihe   der   Ev.   Kirchengemeinden   in Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal, sondern auch eine ökumenische, da die Kath.  Propsteigemeinden Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal ebenfalls als Veranstalter mit auftreten. Zudem stehe der Orgelherbst unter der Schirmherrschaft des Bürgermeisters und der Bürgermeisterinnen der Städte Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal. Eine weitere Besonderheit des Orgelherbstes sei, dass die Veranstaltungen ausschließlich über Spenden der Freundeskreise und der Sparkassen finanziert werden, betont Marquardt.

Seit 1996 gibt es den Orgelherbst, und seitdem prägt Gerhardt Marquardt diese Veranstaltungsreihe. „Die ursprüngliche Idee hatte Sabine Horstmann 1992, als die neue Orgel in die Christuskirche kam“, erinnert sich Marquardt (KMD Sabine Horstmann war bis 2017 Kantorin an der Christuskirche in Schwelm – Anm. d. Red.).

   

Musikalische Vielseitigkeit

So, wie Gerhardt Marquardt der Orgelherbst am Herzen liegt, so wichtig sind ihm auch die anderen Aufgaben und Dienste, die er in den vergangenen Jahrzehnten in Gevelsberg und im Kirchenkreis wahrgenommen hat. „Die Tätigkeit hier ist so vielfältig und war auch immer eine spannende Herausforderung für mich“, erklärte Marquardt vor ein paar Monaten in einem Interview. „Denn man kann als Kantor zwar ziemlich frei gestalten und kreativ sein, aber man muss zugleich alles selbstständig planen und organisieren. Die Chorauftritte, die Proben, die Programme, die Musik für die Gottesdienste und vieles mehr.“

Vom Oratorium bis zur Jazz-Messe „bespielte“ Marquardt in seiner Dienstzeit die verschiedensten Formate und zeigte immer wieder seine musikalische Vielfalt. „Spannend war für mich die Öffnung zu Jazz und Popularmusik,“ erklärt Marquardt. „Vor allem in der Orgelmusik gab es so etwas während meines Studiums noch nicht.“

Sicherlich zeichnet den scheidenden Kantor und sein musikalisches Werk besonders aus, dass er immer offen, neugierig, akribisch und auch ehrgeizig war. Schließlich kam er als Autodidakt zur Musik und zum Orgelspiel. Mit ca. 12 Jahren bat er seine Eltern, ihm ein Klavier zu kaufen. „Das Spielen habe ich mir dann selber beigebracht.“ Mit 14 Jahren hat er dann schon sonntags die Orgel im Gottesdienst gespielt. Bei einem C-Kurs für Kirchenmusiker in Münster bekam er dann Kontakt zu seinem langjährigen Lehrer, Dr. Martin Blindow.

   

Steckbrief

Gerhardt Marquardt, 1954 in Billerbeck im Münsterland geboren, studierte Evangelische Kirchenmusik an der Musikhochschule Westfalen-Lippe,  Institut  Dortmund  (Orgel  bei  Prof.  Dr.  Martin Blindow).  Dort legte er 1975 sein B-Examen und 1981 sein A-Examen für hauptamtliche Kirchenmusiker ab.  Es folgte ein Aufbaustudium im Fach Orgel, das Gerhardt Marquardt 1985 mit der Künstlerischen Reifeprüfung abschloss.

Gerhardt Marquardt ist seit 1977 Kantor an der Erlöserkirche Gevelsberg. Über seinen dortigen Aufgabenbereich hinaus leitet er seit 1990 auch den „Wittener Bach-Chor“. Seit November 1994 ist Gerhardt Marquardt auch als Kreiskantor für den Ev. Kirchenkreis Schwelm tätig.

2006 wurde ihm in Anerkennung seiner Verdienste um die Kirchenmusik von der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) der Titel „Kirchenmusikdirektor“ verliehen.

Außer einer regen Konzerttätigkeit als Chorleiter und Organist im Inland, führten ihn Einladungen zu Orgelkonzerten auch ins europäische Ausland.

   

Hoffnung auf baldige Nachfolge

Für die Kirchenmusik an der Erlöserkirche in Gevelsberg hofft Marquardt, dass die musikalische Vielfalt fortgesetzt wird und die Kleuker-Orgel von 1969, die 2014 aufwendig restauriert wurde, weiterhin ihre Möglichkeiten zeigen kann.

Leider ist jedoch noch keine Nachfolge als Kantor*in der Erlöserkirche in Sicht. Marquardt rechnet mit einer einjährigen Vakanz. „Sicher werde ich gerne gelegentliche Orgelvertretungen machen und vielleicht auch das eine oder andere Konzert spielen“, erklärt Marquardt, aber wichtig sei ihm, dass seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger frei sei, ihre/seine Ideen zu verwirklichen. „Ich will da nicht im Wege stehen.“

   

Verabschiedung mit EVENSONG

Gerhardt Marquardt verabschiedet sich am 30. August um 17 Uhr mit einem EVENSONG, einer Chorvesper nach anglikanischer Tradition mit englischer Chor-, Orgel und Instrumentalmusik von Thomas Tallis, Charles V. Stanford, Christopher Tambling u. a. in der Erlöserkirche Gevelsberg von seiner Gemeinde.

Bedingt durch die aktuell geltenden Einschränkungen während der Corona-Pandemie, die bis auf weiteres keinen praktikablen Probenbetrieb der Chöre zulässt, wird diese Veranstaltung allerdings in entsprechend angepasster Weise mit einem kleinen Vokalensemble stattfinden.

Auf die geplante Mitwirkung der Chöre (Kantatenchor Gevelsberg, Ev. Jakobus-Chor Breckerfeld, Wittener Bach-Chor, Camerata Vocale Gevelsberg) muss dabei in diesem Zusammenhang zum Leidwesen aller Beteiligten verzichtet werden.

Am 5. September findet die Kreissynode des Ev. Kirchenkreises Schwelm im Zentrum für Kirche und Kultur in Gevelsberg statt. Hier wird Gerhardt Marquardt von Superintendent Andreas Schulte dann auch als Kreiskantor verabschiedet.

   

Weihnachten ohne Orgelspiel

Angst, als Rentner Langeweile zu bekommen, hat Gerhardt Marquardt nicht. „Ich werde meinen Lehrauftrag für Orgelspiel, den ich seit 2018 an der Evangelischen Popakademie in Witten habe, fortführen. Dort bereite ich Student*innen auf den Bachelorabschluss vor.“ Ansonsten will er mit seiner Frau Heike, die mit ihm in Rente geht, reisen, Fahrrad fahren, wandern und sich wieder dem Fotografieren widmen. Außerdem freut er sich mit seiner Frau, jetzt öfter sein erstes Enkelkind zu sehen. Weihnachten 2020 werde für ihn ein ganz besonderes Fest, erklärt Marquardt. „Dann werde ich zum ersten Mal seit 50 Jahren nicht an der Orgel sitzen.“